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Eine Pflegekraft geht in einem Pflegeheim mit einer älteren Dame über einen Korridor.
© Christoph Schmidt/dpa

Debatte um Besuchsverbote: Pflegeheime drohen zu Hotspots der Corona-Krise zu werden

Das Coronavirus bedroht Pflegeheime ganz besonders. Doch eine komplette Isolation schafft neue Probleme. Es ist eine Gratwanderung – auch für die Politik.

Rund 14.500 Pflegeheime gibt es in Deutschland, der Schutz von Bewohnern und Pflegekräften vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus ist entscheidend, um möglichst viele Menschenleben zu retten. „Hier leben Menschen, die besonders anfällig für Infektionen sind, die müssen wir besonders schützen“, hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach den jüngsten Bund-Länder-Beratungen betont. 

Allein in einem Pflegeheim in Wolfsburg sind bisher 22 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Anlass ist eine Strafanzeige, in der Pflegemissstände in dem Heim angeprangert wurden.

Die handelnden Politiker haben die dramatischen Bilder der Toten aus Heimen in Spanien und Italien vor Augen, doch es ist eine schmale Gratwanderung. Niedersachsen hat nach dem Fall Wolfsburg einen Aufnahmestopp erlassen. Eine heikle Entscheidung, denn einerseits wollen Krankenhäuser ältere Patienten mit stabiler Gesundheit entlassen, um mehr Kapazitäten für Corona-Patienten zu haben. Und andererseits gibt es natürlich auch immer wieder neue Pflegefälle, die professionelle Betreuung in einem Heim benötigen.

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Die Pflegebeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens, hält einen flächendeckenden Aufnahmestopp für problematisch: „Menschen, die in einer solchen Akutsituation sind, brauchen in der Regel sofort Unterstützung“, sagt sie. Baehrens plädiert dafür, den Heimleitungen die Entscheidung zu überlassen, ob sie jemanden aufnehmen können oder nicht. 

„Wenn es durch Virusinfektionen zu einer Überlastung kommt, weil Mitarbeiter ausfallen oder in Quarantäne sind, muss es natürlich möglich sein, vorübergehend niemanden aufzunehmen“, sagt sie. Aber das sollten am besten die Verantwortlichen vor Ort entscheiden. Schließlich seien auch die Infektionszahlen regional unterschiedlich. 

Die nordrhein-westfälische Landesregierung setzt als Kompromisslösung auf eine Isolation von neu aufgenommenen Pflegebedürftigen, sie sollen zunächst in eine zweiwöchige Quarantäne. Aber Körperkontakt zwischen Personal und Bewohnern lässt sich nun einmal nicht vermeiden. Kommt über unwissentlich infizierte Pflegekräfte das Virus in ein Heim, ist es kaum zu stoppen.

Klagen über fehlenden Schutz reißen nicht ab

Auf allen Wegen wird versucht, bei dem anzusetzen, was die Politik tun kann: mehr Schutzausrüstung, professionelle Masken und mehr Desinfektionsmittel beschaffen – doch die Klagen über fehlenden Schutz und eine Fokussierung auf die Versorgung der Krankenhäuser reißen nicht ab. Zuerst brauche man die Schutzmasken für das medizinische Personal und dann prioritär auch für Alten- und Pflegeheime, betont zum Beispiel Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. 

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Die Bundesländer hatten als Erstes weitgehende Kontaktverbote erlassen. In Baden-Württemberg dürfen stationäre Einrichtungen nicht mehr zu Besuchszwecken betreten werden. Ausnahmen kann es im Einzelfall für nahestehende Personen geben, etwa wenn es um die Sterbebegleitung geht. In Berlin hingegen sind Besuche einmal am Tag für eine Stunde erlaubt, nur Kinder unter 16 Jahren oder Menschen mit Atemwegsinfektionen dürfen nicht kommen.

Auch das Kontaktverbot kann Folgen für die Gesundheit haben

Zur Pandemie kommt der seelische Schmerz, wenn alte und kranke Menschen nicht mehr ihre Liebsten sehen können, gerade zu Ostern. „Auch ein harsches Kontaktverbot kann Folgen für die Gesundheit haben“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ruft dazu auf, Karten oder Briefe zu schreiben, „für unsere Lieben in Pflegeheimen“.

Besonders für Hospize sind die Kontaktbeschränkungen eine Gratwanderung. Toska Holtz, Geschäftsführerin des Ricam Hospizes in Berlin, sagt: „Die Menschen kommen hierher, um in ihrer letzten Zeit eine gute Lebensqualität zu haben.“ Und dafür sei der Kontakt zu Angehörigen essenziell. Deshalb gebe es in ihrem Hospiz zwar Hygieneregeln für Besucher, verboten sind Besuche aber nicht. 

Und liegt jemand im Sterben, gibt es bei der Zahl der Besucher Ausnahmen. „Dann lassen wir natürlich auch mehr als zwei Besucher in das Zimmer. Das geht für uns gar nicht anders“, sagt Holtz. Einen Aufnahmestopp plant das Hospiz nicht: „Die Leute brauchen uns, das ist unser Job.“ Einen Stopp will man hier nur erwägen, falls wegen des Virus zu viele Mitarbeiter ausfallen.

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus.
© REUTERS/Fabrizio Bensch

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, verweist zudem auf das Problem der Schließung zahlreicher Tagespflegeeinrichtungen in der Coronakrise – er fürchtet eine völlige Überlastung von pflegenden Angehörigen, die ja zum Teil auch noch die Kinder wegen geschlossener Schulen und Kitas zu Hause haben.

„Die Vielzahl an Rückmeldungen von Trägerverbänden, Pflegebedürftigen und deren pflegenden Angehörigen lassen erahnen, dass die Lage dramatisch ist“, sagt Westerfellhaus im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Gerade Tagespflegeeinrichtungen sollen ja pflegende Angehörige entlasten. Wenn aber diese Entlastung wegfällt, ist die Belastungsgrenze schnell erreicht.“ 

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Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) sieht in den Schließungen große Probleme. Verbandsreferentin Johanna Knüppel betont, für die ambulant Gepflegten sei die Tagespflege auch „mit wichtigen Kontakten zu anderen ‚Leidensgenossen‘ verknüpft und mit guten und anregenden Beschäftigungsangeboten verbunden, die nun wegfallen.“

Demenzkranken böten solche Einrichtungen zudem „eine wichtige und spezifisch für sie ausgerichtete Struktur für den Tag“. Am Ende wird man sehen, was die Maßnahmen gebracht haben, nur eines ist aus Sicht der nun viel gelobten und beklatschten Pflegerinnen und Pfleger auch notwendig: eine Debatte über eine flächendeckendere tarifvertragliche Absicherung – und über mehr Geld.

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