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Das bisherige System verrät nur wenig über den tatsächlichen Zustand einer Pflegeeinrichtung.
© dpa/Christoph Schmidt

Neues Prüfsystem für Heime: Pflege-TÜV soll verlässlicher werden

Bisher konnten sich auch schlechte Pflegeheime mit Bestnoten brüsten. Nun soll es endlich ein verlässlicheres Prüfverfahren geben.

Das Versprechen an Pflegebedürftige und ihre Angehörigen nimmt Gestalt an – wenn auch mit mächtiger Verspätung. Auf mehr als 600 Seiten haben Wissenschaftler nun dargelegt, wie die bisherige, geschönte Benotung von Pflegeeinrichtungen durch einen aussagekräftigeren Pflege-TÜV ersetzt werden könnte. Tenor ihres Konzepts: Die Qualität der mehr als 13 000 Pflegeheime und ebenso vielen ambulanten Anbieter in Deutschland soll deutlich realistischer als bisher erfasst und abgebildet werden.

Allem voran solle künftig die Frage stehen, "ob der Bewohner die notwendige und seiner Situation beziehungsweise seinen Bedürfnissen entsprechende Unterstützung erhält", so die Experten des Instituts für Pflegewissenschaft an der Uni Bielefeld und des Göttinger Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen. Zudem werde fortan "deutlich unterschieden zwischen Dokumentationsmängeln, die für den Bewohner wenig Bedeutung haben, Versäumnissen auf der Prozessebene, die ein Risiko für den Bewohner mit sich bringen, und Defiziten, infolge derer der Bewohner tatsächlich eine negative Folge erlebte".

Bisher sind gute Heime von schlechten kaum zu unterscheiden

Das klingt selbstverständlich, wäre aber ein enormer Fortschritt. Bisher nämlich sind Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bei der Suche nach guter Pflege auf ein Prüfsystem angewiesen, das nur wenig über den tatsächlichen Zustand der Einrichtungen verrät. Das liegt zum einen daran, dass dokumentierte Selbstdarstellungen für die Bewertung eine größere Rolle spielen als Berichte von Betreuten. Vor allem aber fehlt es an Gewichtungen. In der Gesamtnote können bisher selbst gesundheitsgefährdende Pflegemängel durch Nebensächlichkeiten wie gute Parkmöglichkeiten oder nett gestaltete Speisekarten ausgeglichen werden.

Das Ergebnis: Bestnoten für alle und jeden. Im Oktober etwa lag die bundesweite Durchschnittsnote für Pflegeheime in Deutschland bei 1,2 – ein Hohn angesichts der immer wieder bekannt gewordenen Pflegeskandale. Und zur Orientierung trägt die kollektive Selbstbeweihräucherung auch nicht bei. Umfragen zufolge fürchtet hierzulande jeder Zweite, im Alter nicht das passende Heim zu finden.

Weil das nicht so weitergehen konnte, verpflichtete der Gesetzgeber die Heimbetreiber und Kassen bereits vor Jahren, ein verlässlicheres Prüfverfahren zu entwickeln. Erster Termin dafür: Frühjahr 2017. Als nächstes hieß es, die Ergebnisse sollten im Sommer 2018 vorliegen. Nun hat der eigens für dieses Projekt gegründete "Qualitätsausschuss" von Pflegekassen und Leistungserbringern endlich seine Arbeitsgrundlage. "Da bei den bisherigen Pflegenoten schlechte von guter Pflegequalität zu oft nicht zu unterscheiden war, arbeiten wir mit Hochdruck an dem neuen Pflege-TÜV", sagte Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbands der gesetzlichen Kassen, am Montag. "Unser Ziel ist und bleibt es, gute und schlechte Qualität in Pflegeeinrichtungen für jeden einfach erkennbar zu machen".

Schulnoten soll es nicht mehr geben

Dafür sollen die Heimbetreiber zunächst einmal Selbstangaben für alle Bewohner liefern. In Zeitreihen haben sie Rechenschaft etwa über Mobilitätsverlust, Sturzverletzungen, die Entstehung von Druckgeschwüren oder den Einsatz von Bettgittern und Gurten abzulegen.

Im Folgenden sind dann Stichproben durch externe Prüfer des Medizinischen Dienstes vorgesehen – bei bis zu neun Bewohnern pro Einrichtung. Getestet werden soll die Qualität in 18 verschiedenen Pflegebereichen. Und für all die soll es dann nur noch ein Punktesystem nach vier Kategorien geben: keine oder geringe Qualitätsdefizite, moderate Qualitätsdefizite, erhebliche Qualitätsdefizite und schwer wiegende Qualitätsdefizite. Auf Schulnoten soll künftig verzichtet werden. Begründung: Die Noten seien durch die Debatte um ihre fehlende Aussagekraft beim Pflege-TÜV "in Verruf geraten".

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist die Umstellung des Prüfverfahrens zum Oktober nächsten Jahres geplant. Bis die Sache richtig ins Laufen komme, könne es aber Mitte 2020 werden.

Kritik kam von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Das empfohlene Punktesystem sei "benutzerunfreundlich", sagte Vorstand Eugen Brysch der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Nötig sei ein "Pflege-TÜV, der leicht verständlich ist, die Praxis abbildet und eine schnelle Vergleichbarkeit ermöglicht" – mit Gesamtnote und "K.o.-Kriterien" für das wirklich Wichtige.

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