Nach Lindner-Rücktritt: Patrick Döring wird neuer FDP-Generalsekretär
FDP-Chef Philipp Rösler ist auf der Suche nach einem Nachfolger für den überraschend zurückgetretenen Christian Lindner schnell fündig geworden. Dennoch rumort es weiter kräftig in der Partei.
FDP-Chef Philipp Rösler wollte eigentlich erst am Freitag seine "Personalentscheidung" präsentieren. Doch nun ist er doch schon am Donnerstag mit seinem Kandidaten an die Öffentlichkeit gegangen. Patrick Döring, bisher FDP-Schatzmeister und Fraktionsvize der Liberalen im Deutschen Bundestag, soll nach Röslers Willen neuer Generalsekretär werden. Der 38-Jährige kommt wie Rösler auch aus Niedersachsen und gilt als dessen Vertrauter. Er fühle sich sehr geehrt und lasse sich "gerne von seiner Partei in die Pflicht nehmen." Er wolle die Kampagnenfähigkeit der FDP wieder herstellen.
Rösler erklärte, Döring sei "tief verwurzelt in der Basis". Bei der kurzen Vorstellung wollte der Parteichef aber auch zeigen, dass er das Heft des Handelns in der Hand hält - auch wenn es um Fragen geht. Die waren nämlich eigentlich nicht zugelassen, Döring wollte sie trotzdem beantworten. Rösler aber schob ihn von der Bühne, als Döring gerade zum Reden ansetzen wollte.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich mittlerweile zu Wort gemeldet. Der Lindner-Rücktritt hat nach ihrer Einschätzung keine negativen Auswirkungen auf die schwarz-gelbe Bundesregierung. Merkel verwies darauf, dass der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler eine rasche Entscheidung zur Nachfolgeregelung angekündigt habe. "Deshalb glaube ich, dass wir in der Regierung völlig unbeschadet davon zusammen arbeiten können." Darüber hinaus betonte die Kanzlerin, Lindners Entscheidung müsse respektiert werden. Sie persönlich habe mit ihm im Koalitionsausschuss gut zusammengearbeitet.
FDP-Chef Philipp Rösler bedauerte den Rücktritt "außerordentlich". In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz würdigte er die "Verdienste" von Lindner: "Vor allem das von ihm initiierte Grundsatzprogramm hat die FDP voran gebracht." Rösler forderte von seiner Partei "Mut und Geschlossenheit". Die FDP müsse nun nach vorne schauen. "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit Mut und Zuversicht in das Jahr 2012 gehen können", sagte der FDP-Chef in seiner kurzen Erklärung.
Tatsächlich sieht es in seiner Partei derzeit alles andere als nach "Mut und Zuversicht" aus. Einige, wie FDP-Vize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprechen von "Schock". Andere wie der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki oder der Altliberale Gerhart Baum sehen die Partei in einer schweren Führungskrise.
Am Vormittag hatte FDP-Generalsekretär Christian Lindner, einst als Hoffnungsträger ins Amt gestartet, seinen Rücktritt erklärt. Ein Paukenschlag. Zwei Minuten und neun Sekunden dauerte das Statement, das Lindner um kurz nach 11 Uhr im Thomas-Dehler-Haus, der Bundesgeschäftsstelle der FDP, abgab. Lindner sagte, er habe gegenüber Parteichef Philipp Rösler seinen Rücktritt erklärt und Fraktionschef Rainer Brüderle, NRW-Landeschef Daniel Bahr und den FDP-Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher informiert. Von den Mitarbeitern des Dehler-Hauses habe er sich bereits verabschiedet.
"Auf den Tag genau zwei Jahre erkläre, verteidige ich die Politik der FDP in schwieriger Zeit und habe versucht, sie mitzugestalten. Ich bin dankbar für die Zusammenarbeit mit den Parteivorsitzenden Guido Westerwelle und Philipp Rösler ", sagte Lindner. Die Entscheidung zum Rücktritt habe er "aus Respekt vor meiner Partei und vor meinem eigenen Engagement für die liberale Sache" getroffen. So habe Parteichef Philipp Rösler die Chance, die wichtige Bundestagswahl 2013 mit einem neuen Generalsekretär vorzubereiten und damit mit "neuen Impulsen" zu einem Erfolg zu machen. Er, Lindner, werde im Bundestag weiter für den politischen Liberalismus kämpfen. Dieser habe "nur eine politische Heimat: die FDP".
Lindner sagte: "Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz frei machen muss, um eine neue Dynamik zu ermöglichen." Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen hätten ihn in dieser Einschätzung bestärkt. Lindner war als Generalsekretär der Partei auch für die Organisation des Mitgliederentscheids zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM verantwortlich. Daran hatte es zuletzt vermehrt Kritik gegeben.
Bei dem Termin in der FDP-Bundesgeschäftsstelle wurden die Fotografen mit einem Sicherheitsband daran gehindert, Lindner zu nahe zu rücken. Fragen waren nicht zugelassen, nachdem er sein Statement abgegeben hatte, verschwand Lindner - mit den Worten "auf Wiedersehen" und einem kleinen Lächeln.
Der Altliberale Gerhart Baum fordert eine Neuwahl der gesamten Parteispitze. "Ich bin der Meinung, das Präsidium der FDP muss jetzt seine Ämter zur Verfügung stellen, muss sich neu zur Wahl stellen. Es ist eine Führungskrise in der FDP", sagte Baum dem TV-Sender Phoenix. Das FDP-Präsidium könne nicht zur Tagesordnung übergehen. "Ich bin wirklich betrübt, dass einer der wichtigsten Hoffnungsträger in der Führung der FDP resigniert", sagte der frühere Innenminister. Er wertete Lindners Schritt auch als Misstrauensvotum gegen Parteichef Philipp Rösler. Lindner sei es seiner Erklärung zufolge offensichtlich nicht ermöglicht worden, eine neue Dynamik zu entfalten, sagte Baum. FDP-Chef Rösler will sich um 13 Uhr zum Rücktritt des Generalsekretärs äußern. Ein Rücktritt des Parteichefs wird nicht erwartet.
Auch Wolfgang Kubicki, Fraktionschef der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag, sieht die FDP nun in einer Führungskrise. Er befürchte jetzt weitere
Personaldebatten, sagte Kubicki der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist etwas, was wir jetzt eigentlich am wenigsten gebrauchen können." Er habe den Rücktritt Lindners fassungslos aufgenommen, sagte Kubicki. "Ich habe dafür auch noch keine Erklärung." Vor zwei Tagen im Bundesvorstand habe Lindner noch sehr kämpferisch für die
Positionierung der FDP geworben. "Es geht schließlich darum, dass wir uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen, sondern uns um die Interessen des Landes kümmern", sagte Kubicki. In Schleswig-Holstein steht im kommenden Frühjahr die Landtagswahl an, bei der die FDP auch um den Verbleib in Regierungsverantwortung kämpfen muss.
Die bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat den Rücktritt von Generalsekretär Christian Lindner als „Schock“ für die Partei bezeichnet. Die FDP sei in einer "sehr schwierigen Situation", erklärte die stellvertretende Bundesvorsitzende am Mittwoch in München. Sie wolle mit ihren Parteikollegen nun alles dafür tun, dass die Liberalen „aus dem Tal der Tränen“ wieder herausfinden, sagte die Bundesjustizministerin.
Die Opposition sieht Lindner nur als "Bauernopfer"
Die Opposition in Berlin reagierte umgehend auf die Nachricht von Lindners Rücktritt. Er sei ein "Bauernopfer" für FDP-Chef Philipp Rösler, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann vor Journalisten in Berlin. Der FDP-Generalsekretär ziehe mit seinem Rücktritt die Konsequenzen aus dem "Desaster des Mitgliederentscheids" um den Euro-Rettungsschirm ESM. Mit seinem Schritt versuche Lindner, Parteichef Rösler "noch ein paar Tage im Amt zu halten".
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte: „Die FDP steht vor dem Verfall, und der hat einen Namen: Philipp Rösler. Statt Lindner wäre es an Rösler gewesen, zurückzutreten.“ Rösler sei „der Kopf einer jungen Führungsriege, die gescheitert ist“. Mit Lindner verliere die FDP „nicht nur einen klugen Kopf, sondern auch den letzten Rest an Glaubwürdigkeit“. Die FDP liegt seit Monaten in Umfragen weit unter der Fünf-Prozent-Hürde und würde den Wiedereinzug in den Bundestag voraussichtlich verpassen, wenn nun gewählt würde.
Der Euro-Skeptiker Burkhard Hirsch (FDP) sagte im TV-Sender Phoenix, er halte die Entscheidung "nicht für richtig". Hirsch war Mitinitiator des Mitgliederentscheids, der nun zum Rückzug Lindners wohl zumindest beigetragen hat. Er bezeichnete Lindner als „eine der Hoffnungen der Liberalen“ und sagte: „Ich wünsche und hoffe, dass er weiter der Partei zur Verfügung steht.“ Hirsch zeigte sich überzeugt, dass nicht parteiinterner Druck rund um den Mitgliederentscheid „alleine der Anlass für einen derartig spektakulären Schritt“ sei. „Das muss einen anderen Grund haben als die Auseinandersetzung der letzten Tage“, mutmaßte Hirsch.
Das FDP-Präsidium hat sich nach dem Statement von Lindner zu einer Telefon-Konferenz verabredet. Die tatsächlichen Hintergründe für seinen Rücktritt sind noch nicht ganz auszumachen. Klar scheint aber, dass es parteiintern Kritik am Generalsekretär auch wegen der Organisation des Mitgliederentscheids gegeben hat - und sicher nach Verkündung des Ergebnisses am Freitag noch verstärkt gegeben hätte. Dem ist er nun mit seinem Rücktritt zuvor gekommen.
Linder stand in der Öffentlichkeit meist als smarter Parteiverkäufer da, mit seiner Arbeit nach innen waren aber nicht alle zufrieden. An der Organisation und der Kommunikation zum Mitgliederentscheid hatte sich diese Kritik zuletzt entzündet. Vor allem, dass zunächst Lindner und am Wochenende dann auch Parteichef Rösler den Mitgliederentscheid schon für gescheitert erklärt hatten, obwohl die Frist für die Einsendung der Unterlagen noch gar nicht abgelaufen war, hat für viel Unmut gesorgt - nicht nur bei den Initiatoren des Entscheids.
Wie es nun in der FDP weitergeht, ist zur Stunde noch offen. Aber klar ist, dass Lindner gerade mit seinem Plädoyer für eine "neue Dynamik" mindestens für Unruhe in der Partei sorgt.
Der 32-jährige Lindner war seit April 2010 Generalsekretär der Partei. Davor hatte er das Amt bereits seit Dezember 2009 kommissarisch inne. Nachdem Guido Westerwelle den Vorsitz der Partei abgeben musste, galt auch Lindner kurze Zeit als möglicher Nachfolger. Lindner ist auch Bundestagsabgeordneter, und dieses Mandat will er behalten. (mit dapd/dpa)