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In den richtigen Händen? Jeder zweite in Deutschland hätte gerne mehr Informationen über seinen Arzt.
© imago/Westend61

Studie der Bertelsmann-Stiftung: Patienten wollen mehr Information über Ärzte

Jeder Vierte in Deutschland fürchtet, im Krankheitsfall an den falschen Mediziner zu geraten. Der Grund: fehlende Information.

Bei der Suche nach Medizinern fürchtet in Deutschland jeder vierte Bürger, wegen fehlender Informationen an den falschen zu geraten. Und mehr als jeder Zweite wünscht sich mehr werbefreie Angaben über die Leistungen und die Ausstattung von Arztpraxen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Weissen Liste und der Bertelsmann Stiftung, die am Montag veröffentlicht wurde.

Die Arztwahl hierzulande basiere im weitesten Sinne auf dem Prinzip von Versuch und Irrtum, resümierte die Vorstandschefin der Stiftung, Brigitte Mohn. Die Mehrheit der Patienten wisse nicht, „welche Expertise, Erfahrung und Ausstattung sie hinter der Praxistür erwartet“. Dabei lägen viele dieser Informationen vor, sie würden nur nicht wie in anderen Ländern zum Nutzen der Patienten öffentlich präsentiert. „Deutschland bleibt hier deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück“, so die Stiftungsvorsitzende.

Fragen nach Kompetenz und Hygiene in der Praxis

Am wichtigsten wäre den Patienten mehr Einblick in die Fachkenntnis und die Erfahrungen von Ärzten mit der Behandlung ihrer eigenen Krankheit. Des weiteren fehlen ihnen Angaben zur Hygiene, zu Zusatzleistungen wie beispielsweise Vorsorgeuntersuchungen, zu Behandlungsergebnissen des Arztes bei bestimmten Erkrankungen, zur Zufriedenheit anderer Patienten und zur Ausstattung der jeweiligen Praxis – etwa mit Röntgen- oder Ultraschallgeräten.

In all diesen Punkten fühlten sich die Befragten schlecht informiert. Ginge es nach ihnen, könnte dieser Missstand im Internet behoben werden. Allerdings sollten Arztsuchportale, so die Forderung fast aller, neutral und werbefrei gestaltet sein.

Patientenbeauftragter: Für freie Arztwahl braucht es verlässliche Informationen

Der neue Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Ralf Brauksiepe, sieht das ähnlich. Transparenz sei „für Patientinnen und Patienten von zentraler Bedeutung“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Für die freie Arztwahl, die sie in Deutschland hätten, benötigten sie verlässliche Angaben. „Problematisch ist es, wenn Informationen mit kommerziellen oder werbenden Inhalte verbunden werden.“ Allerdings sieht er Deutschland hier "auf einem guten Weg". Mit dem Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) sei man dabei, "die Versorgungsqualität von Ärzten und Krankenhäusern zielgenau zu erfassen,
objektiv messbar zu machen und vor allem unabhängig, aber auch patientenorientiert und verständlich abzubilden".

Im Gegensatz zu anderen Industrieländern würden den Patienten hierzulande neutrale Informationen bislang vorenthalten, kritisierte dagegen Roland Rischer, Geschäftsführer der Weissen Liste. Als beispielhaft lobte er dagegen England und die USA. Dort könnten Patienten jederzeit in Erfahrung bringen, welche Leistungen ein Arzt wie oft und in welcher Qualität anbiete. Dazu würden Abrechnungsdaten von staatlichen Institutionen ausgewertet. Zudem würden Patienten in diesen Ländern regelmäßig und seriös zu ihren Erfahrungen mit Ärzten befragt.

Datenschutz oft als Hemmschuh vorgeschoben

Tatsächlich hätten auch Patienten hierzulande „eine sehr genaue Vorstellung davon, welche Informationen ihnen fehlen, um mehr Sicherheit bei der Arztwahl zu erhalten“, so Rischer. Material dafür sei vorhanden. So verfügten Kassenärztliche Vereinigungen aufgrund von Genehmigungen und Quartalsabrechnungen „über umfangreiche Daten zur Struktur und zum Leistungsgeschehen aller Arztpraxen“. Neben den Stammdaten seien das auch „detaillierte Angaben über Leistungshäufigkeiten und Leistungsschwerpunkte“.

Gegen mehr Offenheit beim Umgang mit Versorgungsdaten werde oft der Datenschutz ins Feld geführt, heißt es in der Studie. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Bertelsmann Stiftung belegt jedoch, dass eine anonymisierte Datennutzung die Privatsphäre der Patienten keineswegs gefährdet.

Experten sorgen sich ums Patientenwohl

Mit Blick auf die Ärzte müsse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gleichrangig mit deren Schutzbedürfnissen gewürdigt werden, so die Professoren Thorsten Kingreen und Jürgen Kühling. Wenn man zusätzliche Belange wie Gesundheitsschutz oder Patientenwohl berücksichtige, könne die Offenlegung der Daten sogar geboten sein.

Die Gesundheitspolitik sollte den Patienten in Deutschland alle nötigen Informationen zugänglich machen, um den richtigen Arzt zu finden, forderte Rischer. Nach dem Vorbild anderer Länder sei eine neutrale Datenannahmestelle zu schaffen, die Kassenärztlichen Vereinigungen müssten verpflichtet werden, ihre Daten dort einzuspeisen. Zudem seien Patientenerfahrungen zu veröffentlichen. Mit all dem hätten Arztsuchportale „eine gute Basis, um dem ausgeprägten Wunsch der Patienten nach mehr Informationen über Qualität und Ausstattung von Ärzten nachzukommen“.

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