Designierter Bundesminister: Was Jens Spahn als Gesundheitsminister umsetzen will
Ob lange Wartezeiten, fehlende Landärzte oder Pflegenotstand: Jens Spahn kündigt an, als Gesundheitsminister all diese Probleme lösen zu wollen.
Leisetreterei ist nicht seine Art – wäre wohl auch nicht so einfach für einen mit Schuhgröße 49. Jens Spahn hat sich mit den Rentnern in und außerhalb der CDU angelegt. Er hat seiner Parteichefin und Kanzlerin als neokonservativer Gegenspieler das Leben schwer gemacht. Und jetzt, wo sich Angela Merkel mit seiner Einbindung auf schwierigstem Terrain revanchiert hat und den Kritiker mal machen lassen will, legt der 37-Jährige auch für sich selber die Latte mächtig hoch.
Arzttermine "gleich schnell" für alle
Sein Ziel sei kein Geringeres als dass privat und gesetzlich Krankenversicherte „in Zukunft gleich schnell einen Arzttermin bekommen können“, tut der neue Gesundheitsminister in spe über das Redaktionsnetzwerk Deutschland kund. Er verspricht, das Problem fehlender Ärzte auf dem Land zu „lösen“. Er bescheinigt den Privatversicherern „massiven Reformbedarf“, kündigt etwa an, verhindern zu wollen, dass sich „stark steigende Beiträge im Alter“ dort zur „sozialen Frage“ Auswüchsen.
Und er stellt, als reiche das nicht, auch noch Großes für die Pflege in Aussicht, die er als „Mega-Thema einer älter werdenden Gesellschaft“ bezeichnet. „Natürlich wollen wir hier in den nächsten Jahren große Schritte vorankommen“, macht er klar. „Daran müssen wir uns messen lassen.“
"Datenschutz ist was für Gesunde"
Zudem hat Spahn schon lange vor seiner Nominierung in Buchform etwas verlangt, an dessen Umsetzung er sich nun womöglich ebenfalls messen lassen muss: eine Radikal-Digitalisierung des Gesundheitswesens verlangt, bei der Smartphone-Kontakte und Apps schon mal den Arztbesuch ersetzen können. (Motto: „Datenschutz ist was für Gesunde“).
Nun ist Spahn für flotte Forderungen bekannt. Man denke nur an seinen Vorstoß zur flächendeckenden Einführung von Zweibett-Zimmern in Kliniken, aus dem auch acht Jahre später noch nichts geworden ist. Andererseits ist der Westfale kein gesundheitspolitischer Laie, der nicht um das Beharrungsvermögen des Systems und die Widerstandskraft aller davon Profitierenden weiß.
Einstmals an einer Lobbyfirma beteiligt
Im Gegenteil. Wie kaum ein anderer hat sich der bullige CDU-Politiker die komplexe Materie erarbeitet. Zehn Jahre lang beackerte er für die Union das Thema, sechs davon als gesundheitspolitischer Sprecher. Machte sich in dieser Zeit als Fachmann einen Namen, aber auch als "Marktradikaler" und "Türöffner für die Pharmaindustrie", wie die Linke schimpft. Tatsächlich hatte Spahn mächtig Ärger, als bekannt wurde, dass er jahrelang an einer Lobbyfirma beteiligt war, die auch im Gesundheitsbereich versucht haben soll, die Politik zu beeinflussen.
Die Kommentare aus der Branche sind dennoch einhellig. „Jens Spahn verfügt über enorme Erfahrung in der Gesundheitspolitik und weiß, wo die größten Herausforderungen liegen“, sagt der Chef des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt. Spahn habe „die besten Chancen, das deutsche Gesundheitswesen in einen fairen Wettbewerb und eine digitale Zukunft zu führen“, meint Franz Knieps, derzeit Vorsitzender des BKK-Dachverbands und unter Ulla Schmidt einer der mächtigsten Strippenzieher im Gesundheitsministerium.
Lauterbach: Ich schätze seine Kompetenz
Auch Karl Lauterbach, Spahns langjähriger Widerpart bei der SPD, gab gleich bekannt, dass er die Kompetenz des Ministeranwärters schätze, mit dem er immerhin die gesundheitspolitischen Passagen des vormaligen Koalitionsvertrags ausgehandelt hatte. Und dass er sich - kleiner Seitenhieb - mit dem Neuen im Amt auch „fairen Streit“ um die Bürgerversicherung erwarte.
Dass Spahn die ablehnt, ist kein Geheimnis. Er hat sich in puncto Zwei-Klassen-Medizin, die es aus Unionssicht bekanntlich gar nicht gibt, aber jetzt bereits weiter aus dem Fenster gelehnt, als dies sein Vorgänger Hermann Gröhe je getan hätte. Dass Kassenpatienten mitunter monatelang auf Facharzttermine warten müssten, während Privatpatienten sie binnen Wochenfrist bekämen, mache die Menschen „irre“, hat er schon vor Jahren gesagt.
Erfinder der Terminservicestellen
Spahn gilt als Erfinder der Terminservicestellen, die gesetzlich Versicherten zügig Arzttermine vermitteln und laut Koalitionsvertrag jetzt noch ausgebaut werden sollen. Er will die Versorgung von Kassenpatienten verbessern, auch um den Privaten den Ärger vom Hals zu schaffen. Ein anderes System will er nicht.
Stand der Dinge, laut Koalitionsvertrag: eine Kommission mit Wissenschaftlern soll Vorschläge für eine Reform des Honorarsystems im Gesundheitswesen und eine eventuelle Angleichung für gesetzlich und privat Versicherte entwickeln - und zwar bis Ende 2019.
Beim Thema Pflege nur im Ungefähren
Und das "Mega-Thema" Pflege? „Ich will dafür sorgen, den Beruf attraktiver zu machen“, sagt Spahn. „Wir werden die Ausbildungskapazitäten erhöhen, die Bezahlung und die Tarifbindung in der Pflege verbessern.“
Für genau solche vagen Aussagen kritisiert der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste den Koalitionsvertrag. „Was, wann, wieviel und wer zahlt die Zeche?“, fragte Präsident Bernd Meurer am Dienstag. Habe man das mit den Ländern abgestimmt, plane man höhere Beiträge oder am Ende gar eine Pflegevollversicherung? Ohne klare Ansagen seien solche Versprechungen nicht viel wert.