Arbeitsaufwand im Parlament: Parlamentsdebatten weit nach Mitternacht soll es bald nicht mehr geben
Die Abgeordneten wollen ihre übervollen Arbeitswochen in Berlin entzerren. Vor allem der lange Donnerstag soll verkürzt werden. Hierfür gibt es mehrere Ideen.
Zumindest in den sitzungsfreien Wochen herrscht weitgehende Ruhe in den Gebäuden des Bundestags, eine entspannte Stille. Vielleicht spaziert mal ein Sicherheitsmann vorbei oder eine Verwaltungsangestellte ums Eck. Sonst ist kaum jemand zu sehen in den Gängen des Jakob-Kaiser-Hauses oder in den Katakomben des Reichstagsgebäudes.
Anders in den Sitzungswochen: Dann hetzen Abgeordnete umher, Büroleiter, Beamte und Fraktionsmitarbeiter eilen über die Flure, überall herrscht Trubel, Hektik und Stress.
Den wollen die Abgeordneten jetzt eindämmen – und ihre übervollen Arbeitswochen in Berlin entzerren. Seit es sechs Fraktionen gibt, ist der Arbeitsaufwand im Parlament stark gestiegen. Es gibt mehr Anfragen, mehr Vorlagen, mehr Diskussionsbedarf. Das Hauptproblem: die langen Donnerstage. „Wir haben im Plenum oft nach Mitternacht noch Debatten, die zu dieser Uhrzeit kaum noch jemand verfolgt“, sagt Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann. Der SPD-Politiker will die ersten Lesungen von Anträgen und Gesetzesentwürfen deshalb in die Ausschüsse verlagern. Das soll das Plenum entlasten.
Eine andere Idee ist, Tagesordnungspunkte vom Donnerstag auf den Mittwoch vorzuziehen. Darauf haben sich die Parlamentarischen Geschäftsführer von Union bis zu den Grünen bereits grundsätzlich verständigt. Britta Haßelmann, Fraktionsmanagerin der Grünen, sagt: „Die Abgeordneten sind frei in ihrer Arbeit. Für sie ist die Belastung hoch, aber vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung leiden unter den langen Tagen, die Stenographen etwa.“ Haßelmann hofft auf eine Lösung bis Anfang Dezember: kürzere Donnerstage und ein früherer Start der Plenardebatten am Vortag. Wie das mit den Ausschusssitzungen am Mittwoch zu vereinbaren sein wird, müsse man sehen, sagt Haßelmann.
Straffung der Plenardebatte
Diskutiert wird auch eine Straffung der Plenardebatten. Im Schnitt werden pro Tagesordnungspunkt 38 Minuten Redezeit festgesetzt. Bald könnten es weniger werden. „Eine Verkürzung der Debatten wird allen schwerfallen“, sagt Haßelmann. „Aber um das Parlament arbeitsfähig zu halten, müssen wir Kompromisse eingehen.“ Als kleinster Fraktion steht den Grünen bereits jetzt relativ wenig Redezeit zu.
Auch eine Verkürzung der Fragestunde um 20 Minuten, traditionell am Mittwochnachmittag, kann sich Haßelmann vorstellen. Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, hält den Termin für „eigentlich entbehrlich“. „Die sogenannte Fragestunde ist mehr eine Vorlesestunde längst bekannter Antworten aus ministeriell vorgefertigten Sprechzetteln“, sagt er. „Sie bringt keinen weiteren Erkenntnisgewinn, kostet aber 180 Minuten Debattenzeit.“
Buschmann fordert außerdem digitale Abstimmungen, wie es sie auf manchen Parteitagen gibt. „Bei namentlichen Abstimmungen ließe sich so viel Zeit sparen, die für Debatten oder Sacharbeit genutzt werden könnte“, sagt er. „Wir könnten viel Zeit sparen, wenn wir auch im Deutschen Bundestag endlich im digitalen Zeitalter ankommen.“