Terrorabwehr: Pannen bei Anis Amri ähneln Versagen beim NSU-Terror
Bei der Überwachung des Berlin-Attentäters Anis Amri haben die Behörden nicht nur operative Fehler gemacht. Schon bei den NSU-Terroristen verharrten sie in alten Denkweisen. Ein Kommentar.
Das ist ein harter Tag für die Sicherheitsbehörden. Nicht nur für Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin, gravierende Versäumnisse im Fall des Attentäters Anis Amri gab es auch in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
Der vom Berliner Senat berufene Sonderermittler Bruno Jost listet in seinem Abschlussbericht derart viele Pannen auf, dass das Vertrauen in die Effizienz der deutschen Terrorabwehr zwangsläufig erschüttert wird. Und das Debakel ist schlimm genug, um in seiner Dimension einem anderen Drama zu ähneln, dem staatlichen Versagen im NSU-Komplex.
Aber es geht in beiden Fällen nicht nur um operative Fehler einzelner Behörden. Bei Amri wie im Fall der rechtsextremen Terrorzelle sind in der deutschen Sicherheitsarchitektur mentale Schwächen zu erkennen. Dem Tunesier traute offenbar niemand einen mörderischen Anschlag zu. Amri galt als eher haltlose Figur, als wirrer Drogendealer, radikalisiert – aber doch kein Topterrorist.
Auch bei den überdrehten Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos kam niemand auf die Idee, sie könnten eine Art "Braune Armee Fraktion" aufziehen. Diese Blockade im Denken, das Verharren im alten Schema Terror-ist-nur-was-für-Profis, ist allerdings keineswegs nur ein Manko der Sicherheitsbehörden. Auch in der Gesellschaft, die Medien vorneweg, wurden die "Döner-Morde" nicht als rassistischer Terror begriffen. Und es ist zu bezweifeln, dass Journalisten und weitere Experten Amri anders bewertet hätten, wären ihnen die Erkenntnisse der Behörden bekannt gewesen.
Das relativiert nicht das Versagen staatlicher Stellen. Aber es könnte Anlass sein, dass Behörden und Gesellschaft gemeinsam nachdenken, ob die Wahrnehmung extremistischer Gefahren reicht.