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"Je suis Panama" steh auf einem Schild dieses Demonstranten im französischen Lille.
© REUTERS

Manager-Boni und Top-Gehälter: Panama ist überall

Gier ist die negative Begleiterscheinung des Kapitalismus. Und Top-Manager sind besonders gefährdet, wenn es darum geht, die Bodenhaftung zu verlieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Eine Briefkastenfirma in Panama? Einen Bonus in Millionenhöhe? Die meisten Menschen kennen solche Dinge nur vom Hörensagen. Es ist der Stoff für Thriller, der Blick in Welten, die normalen Arbeitnehmern versagt sind. Statt mit Briefkastenfirmen Steuern zu sparen, sammeln sie Quittungen und Belege für ihre Steuererklärung. Und sind froh, wenn sie im Gespräch mit dem Chef 100 oder 200 Euro mehr Gehalt herausschlagen.

Es sind die Eliten aus Wirtschaft, Politik und Sport, die nach dieser Woche schlecht dastehen, mal wieder. Zwar weiß man heute noch nicht, wie viele der über 200.000 Briefkastenfirmen, die in den Panama-Papers auftauchen, nun tatsächlich krummen Geschäften gedient haben. Der Verdacht liegt aber nahe, dass in vielen Fällen Geldwäsche oder Steuerhinterziehung im Spiel waren. Offshore-Firmen umweht das Geheime, die Aura des Anrüchigen. Kein Wunder, dass der britische Premier David Cameron nun in Erklärungsnöten steckt und um sein Ansehen kämpfen muss. Sein früherer Amtskollege aus Island, Sigmundur David Gunnlaugsson, hat diesen Kampf bereits verloren.

Warum tun die Eliten das? Warum setzen sie sich dem Verdacht aus, krumme Dinger zu drehen? Warum feilscht der VW-Vorstand um Boni, obwohl der Konzern in der schlimmsten Affäre seiner Geschichte steckt und die Malocher am Band um ihre Stellen bangen? Muss man, wie VW-Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch, wirklich alles mitnehmen, was einem vertraglich zusteht?

Gier ist die hässliche Begleiterscheinung des Kapitalismus

Top-Manager sind besonders gefährdet, wenn es darum geht, die Bodenhaftung zu verlieren, das Gefühl für Anstand, für das, was sich gehört. Thomas Middelhoff, der frühere Arcandor-Chef, war ein solcher Fall, aber nicht der einzige. Die Gier ist die hässliche Begleiterscheinung des Kapitalismus. Sie ist die egozentrische Übersteigerung der Motive, ohne die unsere Wirtschaft nicht funktioniert: Ehrgeiz, das Streben nach Aufstieg, der Kampf um Anerkennung, Status und Geld.

All das ist legitim. Wer sich anstrengt, wer clever ist und mutig, soll weiterkommen und Karriere machen. Geld ist ein Mittel, um Erfolg zu messen – auch innerhalb der Eliten. Wer 14 Millionen Euro verdient, steht besser da als der Kollege, der mit zehn Millionen nach Hause geht. Wer sich fragt, warum Menschen, die im Geld schwimmen, den Hals nicht voll bekommen und um jeden Euro feilschen, findet hier eine Antwort. Selbstbeschränkung funktioniert hier nicht. Deshalb hat die Europäische Union vor einigen Jahren auch neue gesetzliche Regeln für Bonuszahlungen verabschiedet, die die Gier zumindest ein wenig dämpfen sollen.

Die Gier ist eine Todsünde. Sie ist die Wurzel aller Übel, hat der Mönch Evagrios Pontikos gesagt, der Vater der katholischen Lehre von den Todsünden. Das stimmt. Denn wer nur an sich denkt, wer kein Maß und kein Ziel kennt, schadet der Allgemeinheit. Er zerstört das Gemeinschaftsgefühl und schafft Gräben – zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, zwischen Reichen und Armen, zwischen Steuerzahlern und Steuervermeidern. Wer keine Steuern zahlt, drückt sich vor seiner Verantwortung. Wer als Manager die Belegschaft in harten Zeiten vor den Kopf stößt, sät Misstrauen und macht sich Feinde. Ehrgeiz ist gut, Gier ist schlecht – ob in Wolfsburg, in Panama oder in Reykjavik.

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