Tübinger Oberbürgermeister im Streit mit Grünen: Palmer lehnt Aufnahmeangebot der FDP in Baden-Württemberg ab
Aussagen Boris Palmers zur Coronavirus-Krise gingen den Grünen zu weit. Den Liberalen will er aber nicht beitreten, sagt der Tübinger Oberbürgermeister.
Der Tübringer Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) will trotz des Streites mit der eigenen Partei nicht zu den Liberalen wechseln. Ein entsprechendes Angebot des baden-württembergischen FDP-Landesvorsitzenden Michael Theurer lehnte er am Sonntag ab. "Als Ökologe kann man unmöglich Mitglied der FDP werden. Da hätte ich jeden Tag Streit in der Sache und nicht nur um Worte", teilte Palmer mit.
Zuvor hatte der FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer der "Bild am Sonntag" gesagt, Palmer sei bei den Liberalen "herzlich willkommen". Die FDP sei eine "Heimat für kritische Köpfe". Die FDP halte kritische stimmen in ihren eigenen Reihen aus, hatte Theurer gesagt. "Wir kämpfen für Meinungsfreiheit."
Palmer lobte der FDP-Landesvorsitzende als intelligent und diskussionsfreudig. Der Kommunalpolitiker sei ein "streitbarer, kluger Kopf, der manchmal über das Ziel hinausschießt, nicht immer den richtigen Ton trifft, aber auch zur Einsicht fähig ist und den Diskurs der unterschiedlichen Meinungen sucht".
Der Landesvorstand der Grünen hatte Palmer zum Parteiaustritt aufgefordert. Er warf dem Tübinger Oberbürgermeister vor, sich mit seinen Äußerungen gegen politische Werte und Grundsätze der Grünen zu stellen
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Palmer hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mit Äußerungen für Empörung innerhalb und außerhalb der Partei gesorgt. Zuletzt hatte er in einem Interview zu den Schutzmaßnahmen in der Corona-Krise gesagt: "Ich sag es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einen halben Jahr sowieso tot wären – aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen."
Palmer will Mitglied der Grünen bleiben
Die Grünen-Parteispitze hatte sich daraufhin deutlich von Palmer distanziert. In einer Erklärung hieß es: "Der Landesvorstand missbilligt zutiefst dieses politische Agieren und distanziert sich deutlich von Boris Palmer." Der Vorstand behalte sich zudem ein Parteiordnungsverfahren vor.
Palmer will sich den Forderungen seiner Partei aber nicht beugen. "Selbstverständlich trete ich nicht aus meiner Partei aus", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Ich bleibe weiterhin aus ökologischer Überzeugung Mitglied der Grünen. Da die Vorwürfe gegen mich von meinen Gegnern erfunden beziehungsweise konstruiert worden sind, gibt es überhaupt keinen Grund, darüber nachzudenken."
Sarrazin springt Palmer bei
Unterstützung bekam Palmer auch von dem früheren SPD-Politiker Thilo Sarrazin, der ebenfalls seit Jahren mit seiner Partei im Streit liegt. Offensichtlich sei, dass die Grünen Palmer mehrheitlich schon länger nicht mehr mögen würden, sagte Sarrazin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Jetzt sehen viele einen willkommenen Anlass, in Bezug auf Boris Palmer 'reinen Tisch' zu machen."
Palmers Äußerungen zu den Coronavirus-Kranken entsprächen "in etwas gröberer Form etwa dem, was Wolfgang Schäuble etwas abstrakter geäußert hatte", sagte Sarrazin. Die SPD versucht seit Jahren, Sarrazin wegen islamkritischer Bücher und Thesen aus der Partei auszuschließen. Anfang des Jahres entschied die Landesschiedskommission der SPD, dass ein Parteiausschluss des früheren Berliner Finanzsenators gerechtfertigt sei. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. (AFP, dpa)