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Anhänger der islamistischen Partei Jamiat Ulema-e-Islam-Fazl (JUI-F) protestieren in Pakistan gegen die Freilassung von Asia Bibi.
© Banaras Khan/AFP

Gericht hebt Todesurteil auf: Pakistans Islamisten toben nach Freilassung der Christin Asia Bibi

Die fünffache Mutter wurde wegen Gotteslästerung zu Tode verurteilt. Weil sie jetzt frei ist, protestieren wütende Demonstranten im ganzen Land.

Nach dem Freispruch der wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilten Christin Asia Bibi bleibt die Situation in Pakistan angespannt. Wütende Demonstranten legten den Verkehr lahm, Schulen und Universitäten blieben geschlossen. Premierminister Imran Khan hatte sich am Mittwochabend in einer Fernseh-Ansprache an die Bevölkerung gewandt, um die Lage zu beruhigen. Mit scharfen Worten warnte er die Demonstranten, die den Rücktritt seiner Regierung und den Tod der verantwortlichen Richter forderten. Bibis Familie erklärte, aus Sicherheitsgründen werde die Familie Pakistan so rasch wie möglich verlassen. Sie selbst wartete an einem unbekannten Ort auf ihre Freilassung. Mehrere Länder haben der 53-Jährigen und ihren Angehörigen bereits Asyl angeboten.

In einem bahnbrechenden Urteil hatte zuvor Pakistans Oberstes Gericht das Blasphemie-Todesurteil gegen Bibi aufgehoben und damit den islamistischen Kräften in Pakistan die Stirn geboten. Die fünffache Mutter war 2009 nach einem Dorfstreit um ein Glas Wasser wegen Gotteslästerung angezeigt worden. Ein Gericht verurteilte sie 2010 zum Tode. Der Fall hatte in den vergangenen Jahren immer wieder zu Gewalt geführt. So wurde ein Jahr nach dem Todesurteil der Gouverneur der Punjab-Provinz, Salman Taseer, von seinem eigenen Leibwächter umgebracht, weil er sich für die Freilassung der Christin eingesetzt hatte. Das Oberste Gericht hatte 2016 den Fall erörtern wollen, doch weil einer der Richter es wegen Befangenheit ablehnte, den Fall zu hören, mussten ein neues Richtergremium eingesetzt werden. Bereits mehrere Anwälte wurden in Pakistan umgebracht, weil sie Angeklagte verteidigten, denen Gotteslästerung vorgeworfen wurde.

Regierungschef Khan kritisiert die Proteste

Der Fall Bibi ist der erste große Test für Regierungschef Khan, der erst im August gewählt wurde. Khan übte überraschend harsche Kritik an den Islamisten: „Wenn das Oberste Gericht ein Urteil fällt, dass ihnen nicht passt, heißt das, dass sie auf die Straße gehen und das ganze Land lahmlegen?“ Der oberste Richter, Saqib Nisar, der in seiner Urteilsbegründung auch die Shakespeare-Tragödie von König Lear zitierte, wies noch einmal darauf hin, dass das Gericht niemanden verurteilen könne, dessen Schuld nicht bewiesen sei. Die Anklage habe nicht zweifelsfrei nachweisen können, dass Bibi die ihr vorgeworfene Tat wirklich begangen habe.

Pakistans drakonisches Blasphemie-Gesetz sieht bei Gotteslästerung auch die Todesstrafe vor. Das islamische Land hat bislang jedoch noch niemanden wegen Blasphemie hingerichtet. Allerdings bedeutet bereits der Vorwurf der Gotteslästerung Lebensgefahr. Immer wieder kommt es in solchen Fällen zu Lynchjustiz und Rachemorden. Alle Versuche, das Gesetz zu ändern, scheiterten am Widerstand religiöser Hardliner. Zwei prominente Politiker wurden 2011 ermordet, weil sie eine Lockerung forderten. Außer dem liberalen Gouverneur Taseer wurde der Minister für religiöse Minderheiten, Shahbaz Bhatti, getötet.

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