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Demonstration zum zehnten Todestag des Asylbewerbers Oury Jalloh im Januar 2005
© dpa/Jens Wolf

Neues Gutachten zu Tod in Dessauer Polizeizelle: Oury Jalloh erlitt vor Feuertod schwere Verletzungen

Der Asylbewerber Oury Jalloh verbrannte 2005 in einer Polizeizelle in Dessau. Ein Gutachten legt nahe, dass er zuvor misshandelt wurde.

Auch nach dem juristischen Schlussstrich unter den Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle im Januar 2005 will eine Aufklärungs-Initiative nicht aufgeben. Obwohl das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg in der vergangenen Woche einen Antrag auf Klageerzwingung im Fall Jalloh abwies, seien weitere Untersuchungen nötig, sagten Vertreter der Initiative am Montag in Berlin.

Sie verwiesen auf ein neues radiologisches Gutachten vom 18. Oktober 2019. Der Bericht eines Professors der Frankfurter Uniklinik stütze sich auf die Computertomographie-Aufnahmen von 2005. Danach habe Jalloh Knochenbrüche der Nase, des Schädels und einer Rippe noch lebend erlitten. Das würden Entzündungen in der Umgebung der Bruchstellen zeigen, teilte die Initiative mit. Diese Brüche müssten Jalloh wahrscheinlich zwischen seiner Festnahme und dem Tod wenige Stunden später zugefügt worden sein.

Die Initiative kritisierte, dass die Gerichtsentscheidung der vergangenen Woche den medizinischen Bericht nicht berücksichtigt habe, weil darin nur bereits vorhandene Daten neu interpretiert wurden. Dies sei jedoch für die Schlussfolgerungen unerheblich. Nun müsse die bereits vor Jahren zusammengestellte Kommission zur Untersuchung des Todes diese neuen Fragen eingehend untersuchen.

Verletzungen „vor dem Todeseintritt entstanden“

Laut dem Gutachten, das der Radiologie-Professor Boris Bodelle erstellt hat, zeigen Entzündungen, dass Jalloh zum Zeitpunkt der Verletzungen noch gelebt haben muss, die Brüche ihm also nicht etwa während der Löscharbeiten oder beim Transport in die Leichenhalle zugefügt sein können. Es sei davon auszugehen, dass die Veränderungen „vor dem Todeseintritt entstanden sind“, heißt es in dem Gutachten, aus dem „taz“ zitierte.

Der stark betrunkene und unter Drogen stehende Jalloh war nach einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle am 7. Januar 2005 mit erheblichen Verbrennungen tot gefunden worden. Ob er selber die Matratze angezündet hat, auf der er gefesselt lag, ist bis heute nicht geklärt. Ein Polizist wurde 2012 verurteilt, weil er nicht dafür gesorgt hatte, dass Jalloh ausreichend beaufsichtigt wurde.

Die Initiative geht davon aus, dass Jalloh angezündet und so ermordet wurde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte nach jahrelangen Untersuchungen, Prozessen und Verfahren zuletzt erklärt, es lasse sich nicht belegen, dass Polizisten oder andere Personen den auf einer Matratze gefesselten Jalloh angezündet hätten.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt will nun die Ermittlungsakten durch zwei externe Juristen prüfen lassen. Die Grünen hatten zuletzt betont, das staatliche Handeln müsse umfassend aufgearbeitet werden. (dpa, Tsp)

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