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Die Parteichefs der ÖVP und der Grünen, Sebastian Kurz (links) und Werner Kogler, haben kaum eine andere Wahl als eine Zusammenarbeit.
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ÖVP und Grüne wollen regieren: Österreich steht vor einem politischen Abenteuer

In Österreich wird die erste schwarz-grüne Koalition vereidigt. Beide Seiten haben fast keine andere Wahl als die Zusammenarbeit. Einfach wird es aber kaum.

Bisher weiß man nur, dass es auch um Stechmücken ging. Verschlossen wie Brüder eines Schweigeordens verweigerten sich die Verhandler seit fast einem Vierteljahr allen Fragern und vergatterten auch ihre Kommunikationsleute zu mönchischer Enthaltsamkeit. Jüngst brach es dann aus einem heraus: Die Grünen hätten ein Flutlichtverbot in Fußballstadien angeregt, weil die Scheinwerfer Insekten irritieren, raunte ein völlig perplexer Referent der schwarzen Verhandler Journalisten zu. Ob wahr oder nur gut erfunden: Tatsache ist, dass in Wien zusammenwachsen soll, was nur wenig gemeinsam hat.

Die christdemokratische ÖVP wurde von ihrem Vorsitzenden Sebastian Kurz vor zweieinhalb Jahren handstreichartig auf scharfen Rechtskurs geführt. In der Migrationspolitik positionierte Kanzler Kurz Österreich im EU-Spektrum am rechten Rand, gleich neben Ungarn. Die Koalition der ÖVP mit der in Teilen rechtsradikalen FPÖ zerbrach nicht an ideologischen Differenzen, sondern an der Tollpatschigkeit von FPÖ-Obmann und Vizekanzler Heinz Christian Strache. Der war einer Gaunerbande auf den Leim gegangen, die ihm in einer Villa auf Ibiza eine Schein-Oligarchin zuführte; Strache versprach ihr fette Aufträge für ebenso fette Parteispenden.

Die Grünen wiederum sind den deutschen Gesinnungsgenossen ähnlich: Eine Links-der-Mitte-Partei mit in letzter Zeit wieder stark ökologischer Agenda. Viele Jahre lang hatte man sich als Aufdecker- und Kontrolltruppe verstanden, in Sozial- und Bildungspolitik fast deckungsgleich mit den Sozialdemokraten, in Fragen der Migration noch weit freizügiger. Und das soll eine Koalition werden?

Kaum eine andere Wahl als Zusammenarbeit

Beide Seiten haben fast keine andere Wahl. Kurz hat die Nationalratswahlen vom September mit 37 Prozent klar gewonnen, er kann sich den Partner aussuchen. Aber in der FPÖ sind inzwischen weitere Skandale aufgebrochen, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Sozialdemokraten haben nur noch 21 Prozent eingefahren und sind mit dem Lecken ihrer Wunden voll ausgelastet. Überdies ist das Verhältnis von Kurz und der SPÖ beiderseits vom tiefer Verachtung geprägt. Bleiben also nur die Grünen.

Die waren 2017 an der Vier-Prozent-Hürde gescheitert und aus dem Parlament geflogen. Niemand setzte einen Pfifferling auf die bankrotte Partei. Doch dann fasste sich der bis dahin unauffällige Finanzsprecher der Grünen Werner Kogler, ein Herz. Der brummige Steirer übernahm die marode Truppe und führte sie bei den Septemberwahlen zurück in den Nationalrat. Mit 14 Prozent fiel das Comeback durchaus eindrucksvoll aus. Konnte Kogler da die Chance auf eine Regierungsbeteiligung auslassen?

Einfach wird es aber kaum: Jeder dritte ÖVP-Wähler kam direkt von der FPÖ, Kurz wird diese Klientel bedienen müssen und kann daher von seinem scharfen Kurs in der Flüchtlings- und Migrationspolitik kaum abgehen. Die Grünen wiederum basieren zu einem guten Teil auf Nichtregierungsorganisationen und Bürgerinitiativen – nicht unbedingt Horte der Kompromissbereitschaft.

Bundeskongress der Grünen wird Koalition absegnen

Der in den kommenden Tagen die letzte Entscheidung treffende Bundeskongress der Grünen wird das Ergebnis wohl absegnen, wenngleich es vielleicht Diskussionen über die eher magere Ausbeute bei der Ministerien-Verteilung gibt: Ein abgespecktes Sozialressort, Infrastruktur samt Umwelt, Justiz und Kultur werden grün, so die Gerüchte. Migration bekommt ein eigenes Ministerium, besetzt wird es von einer Kurz-Vertrauten, die beim von der ÖVP-FPÖ-Regierung veranlassten Burkaverbot eine wichtige Rolle spielte.

Die Stimmung – jedenfalls die beiden Grünen – drückt ein Facebook-Eintrag der prominenten Journalistin und jetzigen Grünen-Abgeordneten Sibylle Hamann am besten aus: „Unser Schiff legt gerade ab. Wohin die Reise geht, wissen wir noch nicht genau, Seekrankheit ab und zu ist nicht ausgeschlossen. Fix ist nur: Es wird ein Abenteuer. Ahoi.“

Herbert Lackner

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