Flüchtlinge in Europa: Österreich führt Obergrenzen ein, Merkel ist weiterhin dagegen
Österreich führt eine Obergrenze für Flüchtlinge ein. Die CSU fordert, dieses Konzept auch für Deutschland zu übernehmen. Doch Kanzlerin Merkel widerspricht.
Mit der Entscheidung Österreichs, eine Obergrenze für Asylbewerber einzuführen und die Grenzen nach Süden stärker zu kontrollieren, gerät die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unter Druck. Seit Monaten mahnt Merkel eine gemeinsame Sicherung der EU-Außengrenzen und eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge in der Europäischen Union an, findet dabei jedoch kaum Unterstützung unter den Mitgliedsländern. Nach der Bekanntgabe der Entscheidung in Wien forderten Unionspolitiker Merkel auf, nun auch für Deutschland ähnliche Maßnahmen zu ergreifen. Bundespräsident Joachim Gauck zeigte am Mittwoch beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos zwar Verständnis für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen, warnte jedoch gleichzeitig vor einem Scheitern Europas, wenn die Mitgliedsländer sich in der Flüchtlingskrise nicht solidarisch zeigten.
Die österreichische Regierung verständigte sich am Mittwoch darauf, in diesem Jahr nur noch 37.500 Hilfesuchenden Asyl zu gewähren und bis 2019 insgesamt nicht mehr als 127 500 Asylbewerber anzunehmen. Das Land hatte 2015 rund 90 000 Flüchtlinge aufgenommen und eine weitaus größere Zahl weiter nach Deutschland und Schweden transportiert. „Wir können in Österreich nicht alle Asylbewerber aufnehmen, auch nicht in Schweden oder in Deutschland“, sagte der sozialdemokratische Regierungschef Werner Faymann. Mit dem Beschluss der großen Koalition in Wien bezwecke man vor allem auch ein „Aufrütteln in der EU“. Flüchtlinge, sagte Faymann, müssten in ganz Europa verteilt werden. Die Entscheidung für die Obergrenze sei mit der Kanzlerin abgestimmt. Während es für die verschärften Grenzkontrollen an den Außengrenzen Österreichs bereits konkretere Pläne gibt, blieb zunächst offen, wie die Regierung verfahren will, wenn die Obergrenze erreicht ist.
CSU-Generalsekretär will sich an Wien orientieren
Merkel will Mitte Februar eine Zwischenbilanz ihrer Strategie zur Verringerung der Flüchtlingszahlen vorlegen. Sie halte an einer europäischen Lösung fest, sagte sie in Kreuth vor einem Besuch der CSU-Landtagsfraktion. Auf die von Österreich beschlossene Obergrenze ging sie nicht ein. In den kommenden Tagen gebe es drei wichtige Ereignisse in der Flüchtlingskrise, sagte Merkel. Sie verwies auf die deutsch-türkischen Regierungskonsultationen am Freitag in Berlin. Die Türkei sei ein Schlüsselland in der Krise. Am 4. Februar gebe es in London eine Geberkonferenz, um die Versorgung der syrischen Flüchtlinge in der Türkei, Jordanien und im Libanon sicherzustellen. Mitte Februar werde die Krise dann im Zentrum des EU-Gipfels stehen.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte nun, genauso wie einige CDU-Politiker, es Wien gleich zu tun. „Die Österreicher machen’s. Also müssen wir es auch machen“, sagte Scheuer. Für Deutschland fordert die CSU eine Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr. Kanzlerin Merkel widerdpricht. „Worin wir uns einig sind, ist, dass wir die Zahl der ankommenden Flüchtlinge spürbar und nachhaltig reduzieren wollen“, sagte sie am Mittwoch vor einem Gespräch mit der CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth. Sie betonte jedoch, hier sollte man bei den Fluchtursachen ansetzen und eine europäische Lösung finden. „Aber wir werden sicherlich offene und gute Gespräche haben.“ Angesichts der bestehenden Differenzen sagte die Kanzlerin: „Das Miteinanderreden ist gerade in so herausfordernden Zeiten von allergrößter Bedeutung, selbst wenn man nicht in allen Fragen einer Meinung ist.“
Warnung vor einem Dominoeffekt
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnte vor einem „Dominoeffekt“, der entstehe, wenn nun auch Slowenien seine Grenze schließe und die Flüchtlinge dann in Italien und Griechenland bleiben müssten. Einen solchen Effekt hatte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz zu Wochenbeginn als vielleicht sogar einen „Treiber für eine europäische Lösung“ bezeichnet.
Zur Eröffnung des Wirtschaftsgipfels in Davos mahnte Gauck eindringlich eine europäische Lösung der Krise an und unterstützte damit den Kurs Merkels. Gleichzeitig warnte Gauck vor einem Ende Europas. „Wollen wir wirklich, dass das große historische Werk, das Europa Frieden und Wohlstand gebracht hat, an der Flüchtlingsfrage zerbricht?“, sagte Gauck. „Niemand, wirklich niemand, kann das wollen.“ Scharf kritisierte Gauck mangelnde Solidarität in der EU. Zugleich verlangte er eine offene Debatte über die Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen. Dies könnte moralisch gerechtfertigt sein und helfen, die Akzeptanz zu erhalten. (mit dpa)