Bundespräsident beim Weltwirtschaftsforum in Davos: Gauck über Zuwanderung: "Begrenzung hilft, Akzeptanz zu erhalten"
Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Begrenzung in der Aufnahme von Flüchtlingen nicht für unethisch. Bei einer Rede in Davos kritisierte er zugleich die mangelnde Solidarität einiger osteuropäischer Länder.
Eine Begrenzung der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten ist nach Ansicht von Bundespräsident Joachim Gauck nicht per se unethisch. "Eine Begrenzungsstrategie kann moralisch und politisch sogar geboten sein, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten", sagte am Mittwoch in einer Rede vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos.
Im Bezug auf Deutschland sagte Gauck: "Auch wenn die Zivilgesellschaft in den vergangenen Monaten vielerorts Großartiges geleistet hat, ist die Bereitschaft zu solidarischem Handeln nicht unendlich." Auch deshalb sei eine Begrenzung der Zuwanderung erforderlich, nicht als Abwehr, sondern als als Element verantwortlichen Regierungshandelns. Eine Begrenzung könne helfen, Akzeptanz zu erhalten.
Damit könne die Politik auch den zahlreichen Populisten in Europa entgegen treten. "Gerade weil wir möglichst vielen Schutz bieten wollen, werden wir, so problematisch, ja tragisch es ist, nicht alle aufnehmen können", sagte der Bundespräsident, "wenn nicht Demokraten über Begrenzungen reden wollen, wird Populisten und Fremdenfeinden das Feld überlassen."
Joachim Gauck sprach sich auch für eine stärkere Sicherung der Außengrenzen aus, um die Freizügigkeit im Schengen-Raum zu erhalten. Offenheit dürfe nicht zu Grenzenlosigkeit führen. "Solange die Außengrenzen nicht wirksam gesichert sind, werden nationale Grenzen wieder an Bedeutung gewinnen." Zuletzt hatten die EU-Länder Dänemark und Schweden wieder Grenzkontrollen eingeführt, in Österreich und Deutschland wird darüber verstärkt diskutiert.
Die Flüchtlingsfrage bezeichnete Gauck für die Europäische Union als die "wohl größte Belastungsprobe ihrer Geschichte."
Zugleich kritisierte der Bundespräsident das Verhalten einiger mittel- und osteuropäischer Länder wie Polen und Ungarn in der Flüchtlingsfrage, allerdings ohne diese ausdrücklich zu nennen. "Ich kann nur schwer verstehen, wenn ausgerechnet Länder Verfolgten ihre Solidarität entziehen, deren Bürger als politisch Verfolgte einst selbst Solidarität erfahren haben", sagte Joachim Gauck, der in der DDR als evangelischer Pastor gearbeitet hat.
Ebenso prangerte die nationalen Bestrebungen in diesen Ländern an. "Ich kann auch nur schwer verstehen, warum Re-Nationalisierung als Lösung verstanden werden kann in einer Zeit, in der die Globalisierung zu immer stärkeren Verflechtungen führt." Er wünsche sich daher eine Diskussion, "bei der die Bürger Europas ihre Kraft und Phantasie nicht in die Ausgestaltung eines nationalen Rückzugs fließen lassen, sondern in Ideen für ein Europa, in dem sich alle wiederfinden und durch das sie sich wieder vertreten fühlen." Die Wirtschaftsvertreter applaudierten ihm im Anschluss laut.