Linkspartei im Saarland: Oskar Lafontaine verliert an Land
Knapp drei Monate vor der Bundestagswahl liegt die Saar-Linke im Clinch. Eine gültige Liste hat sie noch nicht aufgestellt - stattdessen kämpfen Genossen gegen Genossen.
Der Streit bei den Linken im Saarland, Heimatverband des Ex-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine, alarmiert jetzt auch dessen Parteifreund Gregor Gysi. Die „ungeheure Stärke“ des dortigen Verbandes habe sich entwickelt, weil alles auf einer Person aufgebaut worden sei, sagte Gysi am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Der frühere saarländische Ministerpräsident und langjährige SPD-Politiker hat der Linken an der Saar Erfolge beschert wie in keinem anderen westlichen Bundesland – inzwischen ist er dort aber umstritten. Mit Lafontaines schrittweisem Rückzug brächen dort nun aber Strukturen zusammen, sagte Gysi.
Das Saarland ist das einzige Bundesland, in dem die Linken noch keine gültige Liste für die Bundestagswahl aufgestellt haben. Am 5. Mai wurde zwar schon einmal gewählt – aber ohne eindeutiges Ergebnis. Bei einer ersten Auszählung lag der bisherige Abgeordnete Thomas Lutze knapp vorn, bei einer zweiten seine Fraktionskollegin Yvonne Ploetz. Lutze erzwang eine Nachzählung beim Notar – der ermittelte ihn als Sieger. Die Landesschiedskommission entschied anschließend, die Landesliste müsse vollständig neu gewählt werden; das soll am kommenden Sonntag bei einer Mitgliederversammlung in Saarbrücken passieren. Zuvor wird sich die Bundesschiedskommission am Samstag mit der Frage befassen, was im Saarland schief gelaufen ist – und ob vielleicht doch Lutze als Listenanführer bestätigt werden kann. Lafontaine hatte sich gegen die Wahl von Lutze auf Listenplatz eins ausgesprochen und ihm mangelndes Organisationstalent unterstellt.
Gysi sagte, der entstandene Schaden sei groß. Schon wegen des Verzichts von Lafontaine auf eine Kandidatur für den Bundestag müsse im Saarland mit Stimmenverlusten gerechnet werden, diese könnten nun noch deutlicher ausfallen. „So was lähmt derartig“, klagte Gysi. Zum Glück sei das Saarland ein kleines Bundesland. Dennoch rechne er damit, "dass wir 16 Landeslisten haben und nicht 15". Der saarländische Landesvorsitzende Rolf Linsler erklärte, die jüngsten Vorgänge hätten der Landespartei "schwer geschadet". Glaubwürdigkeit lasse sich nur mit einer „sauberen Wahl in einer anständigen Atmosphäre“ wiedergewinnen. Linsler bemühte auch die saarländische Landeswahlleiterin, die schriftlich darauf hingewiesen habe, dass auch die in Frankreich lebenden Mitglieder der Saar-Linken - es geht um 26 Genossen - hätten eingeladen werden müssen.
Bei der Bundestagswahl 2009 war die Linke im Saarland auf 21,2 Prozent der Stimmen gekommen - und mit zwei Abgeordneten ins Parlament eingezogen - Lafontaine und Lutze. Nach wenigen Monaten schied Lafontaine aus dem Bundestag aus, Ploetz rückte für ihn nach. Bei der Bundestagswahl am 22. September gilt im Saarland nur noch Listenplatz eins als aussichtsreich.
Für die Genossen geht es bei der Mitgliederversammlung am Sonntag auch um die Frage, wie sie zu ihrem langjährigen Idol Lafontaine stehen. Sein Stand im Saarland gilt als wacklig, weil er am 5. Mai mit seinem Vorschlag für Listenplatz eins, der Ex-Tennisspielerin Claudia Kohde-Kilsch, glatt durchgefallen war. Während seiner Rede damals kassierte er sogar Buh-Rufe. Der Verlauf der Versammlung war seinerzeit über weite Strecken chaotisch. Stundenlang ging es nicht los, weil die Mitgliedschaft angereister Genossen erst überprüft werden musste. Und Manipulationsvorwürfe standen im Raum, schon bevor die ersten Wahlgänge über die Bühne gegangen waren. Angeblich seien Mitglieder des Lutze-Flügels mit Bussen angekarrt und mit Freibier gelockt worden, hieß es in Parteikreisen. Heinz Bierbaum, als Parlamentsgeschäftsführer der Saar-Linken einer der wichtigsten Vertrauten des dortigen Fraktionschefs Lafontaine, sagte, persönliche Eitel- und Befindlichkeiten müssten hintanstehen, damit man sich nicht selbst auseinander nehme.
Ploetz selbst äußerte sich am Mittwoch in der saarländischen Ausgabe der "Bild"-Zeitung, von der sie als die "große Nachwuchshoffnung" der Saar-Linken gefeiert wurde. Sie sei in den letzten Wochen Anfeindungen ausgesetzt gewesen, wie sie das noch nie zuvor erlebt habe, sagte sie und deutete einen Rückzug von ihrer Kandidatur an: "Ich weiß nicht, ob ich mir das weiter antun kann.".
Jetzt erst recht setzt das Lafontaine-Lager auf Ploetz, 28 Jahre junge frauenpolitische Sprecherin der Fraktion. Lafontaines Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht, Vizevorsitzende der Bundestagsfraktion, nannte Ploetz eine "sehr engagierte und kämpferische Frau" und warb für ihre Wahl auf Listenplatz eins. Der aus Sachsen stammende Lutze, der Lafontaine auch in seiner früheren Funktion als Landesgeschäftsführer der Saar-Linken immer wieder mal Widerworte gab, will allerdings nicht kampflos aufgeben.
Matthias Meisner