NSA-Affäre: Opposition will Edward Snowden in Deutschland vernehmen
Für Linke und Grüne ist die NSA-Affäre "der größte Datenschutzskandal aller Zeiten". Deshalb will die Opposition nun die Vernehmung des Whistleblowers Edward Snowden mithilfe des Verfassungsgerichts erzwingen. Die Regierung reagiert verärgert.
Es reicht. So lässt sich zusammenfassend das Motiv beschreiben, das die Opposition vor das Bundesverfassungsgericht ziehen lässt, um eine Vernehmung des Whistleblowers Edward Snowden in Deutschland zu erzwingen. Denn das, was im Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Aufklärung der NSA-Affäre einmal als gemeinsames Vorhaben begann, erweist sich mehr und mehr als brüchig.
Am Freitag stellten Linke und Grüne ihre gemeinsame Klage vor, die am Vorabend in Karlsruhe eingereicht worden war. Vom "größten Datenschutzskandal aller Zeiten" spricht der Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Sein Linken-Kollege im Ausschuss, André Hahn, erklärt, der Vorrat an Gemeinsamkeiten im Ausschuss sei deutlich zurückgegangen. "Wir wollen ein Zeichen setzen."
Der mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen von Union und SPD gefasste Beschluss, Snowden in Moskau zu vernehmen – womöglich auch per Videoschaltung –, ist aus Sicht der Oppositionsfraktionen kein geeigneter Weg. Denn erstens habe Snowden eine Befragung in Moskau, wo er Asyl genießt, klar abgelehnt.
Zum anderen aber, so argumentiert der Grüne Notz, wäre es "völlig abwegig", dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der Snowden "als Ehrengast" beherberge, "einen solchen PR-Erfolg auf dem Silbertablett zu präsentieren".
Freies Geleit für den Whistleblower
Dass eine Vernehmung Snowdens in Deutschland für diesen mit Risiken verbunden sei, sehen die Oppositionsabgeordneten nicht – obwohl die USA die Auslieferung Snowdens verlangt, da dort gegen ihn ein Haftbefehl vorliegt. Die Bundesregierung könne für Snowden durchaus freies Geleit in Deutschland garantieren und ihm auch einen Auslieferungsschutz zusagen, argumentiert die Opposition.
Dass sich das Verhältnis von Deutschland und den USA verschlechtern könnte, wie die Bundesregierung argumentiert, ist aus ihrer Sicht nachrangig gegenüber der Untersuchung "eines der größten Skandale des Jahrzehnts", wie es die Linken-Obfrau Martina Renner formuliert.
Für die Opposition ist in den vergangenen Monaten einiges zusammengekommen, wie sie am Freitag noch einmal darlegt. Viele Akten würden dem Ausschuss erst verzögert vorgelegt, sagt der Grünen-Obmann Notz. Sie seien zudem "weitgehend geschwärzt", ergänzt er, und zwar an "praktisch allen Stellen, wo es interessant wird". Erst am Donnerstag habe sich bei der Vernehmung eines hochrangigen BND-Mitarbeiters vor dem Untersuchungsausschuss gezeigt, dass die Aussagebefugnis für interessante Zeugen "weitgehend eingeschränkt" werde. Die Linken-Politikerin Renner meint, es gehe in dem Verfahren in Karlsruhe auch um die Frage, ob Parlamentarier die Geheimdienste kontrollieren – oder ob sich umgekehrt Bundesregierung und Geheimdienste mit ihrem Versuch durchsetzten, die Aufklärer zu überwachen.
Linke wie Grüne betonen, dass Snowden für sie ein "unverzichtbarer Kernzeuge" ist. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagt, der Whistleblower werde eine "authentische Interpretation" von Dokumenten ermöglichen. Ströbele hatte Snowden vor einigen Monaten in Moskau getroffen. Notz sagt: "Snowden ist der Mann, mit dem man sprechen muss, um das globale Überwachungssystem erklärt zu bekommen."
"Verdunkelungsinteresse der Regierung"
Die Klage richtet sich sowohl gegen die Mehrheit aus CDU/CSU und SPD im parlamentarischen Untersuchungsausschuss als auch gegen die Bundesregierung, wie die Prozessbevollmächtigte Astrid Wallrabenstein sagt. Die Klageschrift selbst wird zunächst noch nicht veröffentlicht – dies soll erst zu einem späteren Zeitpunkt geschehen. Linke und Grüne erhofften sich, dass Karlsruhe "so schnell wie möglich" entscheide, sagt Wallrabenstein. Das "Aufklärungsinteresse der gesamten Opposition" stehe gegen ein "Verdunkelungsinteresse der Regierung".
Die Koalition reagiert am Freitag missmutig auf die Initiative der beiden Oppositionfraktionen. Christian Flisek, Sprecher der Opposition im NSA-Ausschuss, sagt: "Es ist eine diffuse Melange abstruser politischer Argumente, die aus meiner Sicht rechtlich nicht verfangen." Statt einer gemeinsamen Sachaufklärung würde "erneut der Versuch einer Skandalisierung auf der Meta-Ebene betrieben". Die Koalition habe Minderheitenrechte im Untersuchungsverfahren nicht verletzt, sondern den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprochen. Für Flisek drängt sich der Eindruck auf, dass es Linken und Grünen allein darum gehe, das Thema Snowden in der öffentlichen Debatte zu halten. Ein, wie er schimpft, "Nebenkriegsschauplatz".