China weitet Macht in Hongkong aus: Opposition tritt nach Rauswurf von Abgeordneten zurück
Vier Abgeordnete werden auf Druck Chinas aus Hongkongs Parlament geworfen. Daraufhin kündigen alle prodemokratischen Abgeordneten ihren Rückzug an.
Für viele Hongkonger ist am Mittwoch der 1. Juli 2047 angebrochen. An jenem Tag läuft die Hongkonger Verfassung „Basic Law“ aus, die der chinesischen Sonderverwaltungszone nach ihrer Rückgabe an China 50 Jahre lang besondere Rechte garantieren sollte. „Ein Land, zwei Systeme“, nennt China dieses politische Prinzip. Doch als am Mittwoch der prodemokratische Hongkonger Abgeordnete Wu Chi-wai mit 14 weiteren Abgeordneten vor die Presse trat, sagte er: „Heute endet ein Land, zwei Systeme.“
Wu Chi-wai und alle weiteren prodemokratischen Abgeordneten kündigten ihren Rückzug aus dem Hongkonger Parlament an. Zuvor hatte der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses in Peking die Hongkonger Verwaltung ermächtigt, Abgeordneten ihren Sitz zu entziehen, wenn sie sich nicht „patriotisch“ oder „loyal“ verhalten. Die pekingnahe Hongkonger Regierung war daraufhin vier prodemokratische Abgeordnete aus dem Parlament.
„Heute geben wir bekannt, dass wir von unseren Posten zurücktreten werden, da unsere Kollegen durch den rücksichtslosen Schritt der Zentralregierung ausgeschlossen wurden“, sagte Wu Chi-wa. Die Entscheidung der Zentralregierung in Peking beende die Gewaltenteilung, die eigentlich im Basic Law vorgesehen sei, erklärte der Vorsitzende der Demokratischen Partei. Nun besitze allein die Hongkonger Verwaltungschefin Carrie Lam alle Macht. Wu Chi-wai bezeichnete sie als „Marionette der Zentralregierung“.
Das Auswärtige Amt kritisierte den Ausschluss der Oppositionsabgeordneten. Die Entscheidung setze „einen Trend zur Aushöhlung des Pluralismus und der Meinungsfreiheit fort, der uns insbesondere seit der Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes zutiefst besorgt“, teilte ein Sprecher am Mittwoch mit.
„Die Bürgerinnen und Bürger Hongkongs haben ein Recht auf freie und faire Wahlen und auf die im Basic Law garantierten Freiheiten und Rechte.“ Diese Freiheiten und Rechte müssten geachtet und der „hohe Grad an Autonomie, der Hongkong zusteht“, bewahrt werden. Dazu habe China sich international verpflichtet. „Hierfür müssen unter anderem die verschobenen Wahlen zum Legislativrat unter Beachtung demokratischer Grundsätze schnellstmöglich nachgeholt werden.“
Am Abend demonstrierten Menschen in Hongkong gegen den Rauswurf
Die Verwaltungschefin verteidigte den Rauswurf der vier Abgeordneten. „Wir brauchen ein politisches Gremium, das sich aus Patrioten zusammensetzt“, sagte sie. Carrie Lam hält ihre Lokalregierung auch nach dem Rückzug der prodemokratischen Opposition für funktionsfähig. Sie sei keine Marionettenregierung Pekings, ihre eigenen Vorschläge würden auch innerhalb ihrer Regierung oftmals zurückgewiesen, wird sie von der „South China Morning Post“ zitiert: „Wir, ich, heißen unterschiedliche Meinungen willkommen.“ Eine Nachwahl für die vier aus dem Parlament rausgeworfenen Abgeordnete soll es allerdings nicht geben.
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Die ursprüngliche Wahl für das Hongkonger Parlament war wegen Corona verschoben worden und soll nun in neun Monaten stattfinden. Die Verschiebung kam der Regierung gelegen, denn nach dem Erlass des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Sommer hätten laut Umfragen viele Prodemokraten einen Sitz im semidemokratischen Parlament erobert. Dort werden nur die Hälfte aller Sitze in einer freien Wahl vergeben, die übrigen werden von Interessensgruppen gewählt, die in der Regel hinter der Chinas Kommunistischen Partei stehen.
Die vier disqualifizierten Abgeordneten waren bereits von der im September geplanten Parlamentswahl ausgeschlossen worden. Einer von ihnen ist Kwok Ka-ki. „Viele Menschen werden den heutigen Tag als dunklen Tag bezeichnen, und es fällt mir schwer zu sagen, dass das nicht so ist“, sagte der Demokrat. „Aber so lange wir unverändert entschlossen bleiben, für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu kämpfen, werden wir eines Tages die Rückkehr der zentralen Werte erleben, die wir so hoch schätzen.“
Am Abend gingen bereits Menschen auf die Straße, um für demokratische Werte zu protestieren.“