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Harry Theoharis ist Fraktionssprecher der wirtschaftsliberalen „To Potami“-Partei in Griechenland, die bei den Wahlen 6,1 Prozent der Stimmen erhielt. Bis 2014 war er Chef der Steuerbehörde.
© REUTERS

Verhandlungen mit EU-Geldgebern: Opposition in Griechenland: "Wir haben große Zweifel"

Der Sprecher der griechischen Oppositionspartei Harry Theoharis über Griechenlands Strategie bei den EU-Verhandlungen, Varoufakis Auftreten und schmerzhafte Kompromisse.

Herr Theoharis, glauben Sie als Sprecher der Opposition nach all dem Hin und Her der vergangenen Wochen tatsächlich noch, dass eine Einigung in den Verhandlungen kurz bevorsteht?

Es muss sie geben. Wir befinden uns definitiv in den entscheidenden Stunden der Verhandlungen. Ursprünglich hatte meine Partei ein nationales Verhandlungsteam gefordert. Mit Vertretern und Experten aus allen Parteien. Das wollte Syriza nicht, und jetzt erwarten wir von der Regierung, dass sie die Gespräche alleine abschließt – mit welchem Deal auch immer. Kein Kompromiss kann schlechter sein als die Alternativen.

Ihre Partei hat der Syriza-Regierung Unterstützung zugesagt, sollte diese sich mit ihrem radikal-linken Flügel entzweien.

Wir fragen nach keiner direkten Regierungsbeteiligung. Aber meine Partei würde im Parlament Syriza stützen, wenn die Regierung schmerzhafte Kompromisse – zum Beispiel bei den Renten – machen muss, die vielleicht Teile von Syriza nicht mittragen. Dann würden wir aber auch von Tsipras’ Regierung erwarten, dass sie im Notfall einige Minister austauscht, wenn sie aktiv gegen eine Einigung arbeiten.

Syriza soll ihre eigenen Minister feuern?

Wir haben große Zweifel, dass die Syriza- Regierung in ihrer jetzigen Aufstellung einen möglichen Kompromiss auch wirklich umsetzen kann. Sie wird sich neu aufstellen müssen. Die Regierung hat aber meiner Einschätzung nach verstanden, dass sie angesichts möglicher katastrophaler Folgen eventuell auf einige ihrer Versprechen verzichten muss, um am Ende einen Kompromiss mit den Geldgebern zu erzielen.

Haben Sie Verständnis für das Dilemma, in dem die Regierung steckt? Würden Sie da wirklich gerne tauschen?

Ich finde es gut, dass Syriza sich dieser Situation stellen muss. Sie haben Neuwahlen gefordert – und bekommen. Sie haben behauptet, sie hätten einen Plan. Jetzt zeigt sich, sie haben Probleme, ihre Versprechen einzulösen. Meine Partei wäre nicht in eine solche Position geraten, weil wir nur versprochen haben, was wir auch halten können.

„To Potami“ wurde nach der Wahl als möglicher Koalitionspartner gehandelt, bevor sich Tsipras für die Rechtskonservativen entschied. Was hätten Sie denn anders gemacht als die jetzige Koalition?

Unsere Strategie wäre eine ganz andere gewesen: Wir hätten zwar ebenfalls keine weiteren Austeritätsmaßnahmen akzeptiert. Aber wir hätten dafür an anderer Stelle sehr viel mehr strukturelle Reformen umgesetzt, sogar in noch stärkerem Maße, als es die Geldgeber verlangen. Dazu gehören Arbeitsmarktreformen, Privatisierungen, die Liberalisierung von Produkten und Dienstleistungen – eben alles, was unserer Meinung nach für Wachstum und Wohlstand im Land sorgen würde.

Wie bewerten Sie die Rolle, die Finanzminister Yanis Varoufakis in den Verhandlungen spielt?

Ich habe als Grundlage für eine Beurteilung nur das, was in der Presse berichtet wird. Wir sind ja bei den Treffen der Euro-Gruppe nicht vertreten. Es ist aber klar: Der Verhandlungsstil hat den Positionen von Syriza nicht geholfen.

Was halten Sie von Szenarien wie einem Referendum oder Neuwahlen?

Im Moment würden sie zu einer Katastrophe führen. Griechenland braucht jetzt eine Einigung, wir haben keine Zeit und kein Geld für ein Referendum oder Neuwahlen. Möglich wäre ein Abschluss, der uns zumindest über den Sommer bringt. Wenn sich die Regierung mit ihren selbst ausgehandelten Ergebnissen dann nicht wohlfühlt und meint, ein Referendum abhalten zu müssen – gerne. Ich denke aber, die Regierung hat die Macht, jetzt die nötigen Veränderungen durchzusetzen.

Elisa Simantke

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