Griechenland: Ökonomen halten drittes Hilfspaket für rechtlich bedenklich und wirkungslos
Führende Wirtschaftsforscher haben das dritte Hilfspaket für Griechenland scharf kritisiert. Die Euroländer bewegten sich damit am Rande der Legalität, sagt ZEW-Präsident Clemens Fuest. Für Ifo-Chef Hans-Werner Sinn ist das Geld zum Fenster rausgeschmissen.
Mit dem geplanten und vom Bundestag gebilligten dritten Hilfspaket für Griechenland bewegen sich die Euroländer nach Ansicht des Wirtschaftsexperten Clemens Fuest am Rande der Legalität. „Die Regeln der Eurozone werden gebeugt“, sagte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim der Deutschen Presse-Agentur.
„Einem überschuldeten Land neue Kredite zu geben, heißt, diesem Land Geld zu schenken, also Transfers zu leisten“, sagte Fuest. Die Währungsunion sei keine Transferunion. Doch das geplante Hilfspaket sei „ein derart klarer Fall von Transferprogramm, dass man wirklich die Frage stellen muss: Ist das noch mit den Verträgen vereinbar?“ Hinzu komme dass der Euro-Rettungsschirm nur dann aktiviert werden dürfe, wenn die Stabilität der Währungsunion in Gefahr sei. „Auch das ist meines Erachtens nicht der Fall“, sagte Fuest. Insofern sei Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch juristisch auf der richtigen Linie, wenn er den Austritt Griechenlands aus der Eurozone für die beste Lösung halte. Fuest gehört seit 2003 dem wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium an. Dass Griechenland durch den Grexit in Chaos und Gewalt versinkt, hält Fuest nicht für zwingend. Wenn das Land plötzlich aus dem Euro ausscheiden würde, würde dieses Szenario tatsächlich drohen. „Aber ein gemeinsam organisierter Ausstieg aus dem Euro und ein Verbleib Griechenlands in der EU, das wäre aus meiner Sicht das Richtige gewesen - und das hätte auch nicht zu Chaos geführt“, sagte Fuest.
Sinn fürchtet neue Kandidaten für Rettung
Der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, hält ein drittes Hilfspaket für Griechenland für grundfalsch. „Das ist völlig wirkungslos“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. „Die 2000 Euro, die Deutschland jedem griechischen Bürger zahlt, sind zum Fenster hinausgeschmissen.“ Niemand, den man halbwegs ernst nehmen könne, würde noch behaupten, dass es keine finanziellen Belastungen für den Bundeshaushalt und die deutschen Steuerzahler geben wird, sagte Sinn. „Jeder weiß: Die Milliardenhilfen an Griechenland kommen nicht mehr zurück.“
Neue Hilfen würden den Lebensstandard der Griechen zwar erst einmal sichern, sagte der ifo-Präsident. Die Krise werde aber nur aufgeschoben. „Der Lebensstandard der Griechen ist im Vergleich zur Produktivität ihres Landes total überzogen. Deswegen ist das Land zu teuer. Die neuen Hilfen perpetuieren diesen Zustand und verlangen anschließend ein viertes Hilfspaket“, sagte er.
Sinn befürchtet, dass es noch andere Kandidaten für ein Rettungspaket geben könnte. „Es wird jetzt nicht bei Griechenland bleiben. Auch andere Länder werden an die Tür klopfen und einen Schuldenerlass fordern.“ (mit dpa)