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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel stimmen awährend der Sondersitzung des Deutschen Bundestages zu Griechenland-Hilfspaketen in Berlin.´
© dpa

Griechenland im Bundestag: Der Mut der Ja-Sager

Die deutschen Bürger wollen mehrheitlich keine neuen Hilfen für Athen. Doch der Bundestag stellt sich der Verantwortung - auch ohne große Worte der Kanzlerin zu Europa. Ein Kommentar.

Angela Merkel hat im Bundestag gestern etwas getan, das man als Schritt zur Selbstbesinnung und zum Zurechtrücken der Maßstäbe bezeichnen darf. Sie forderte in der Debatte über das Hilfsprogramm für Griechenland die Abgeordneten aller Parteien auf, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn deutsche Rentner an den Geldautomaten Schlange stehen müssten, um wöchentlich 120 Euro von ihrer Rente abheben zu können. Und sie sagte über das Brüsseler Vermittlungsergebnis vom Montagmorgen: „Zunächst einmal ist es hart für die Menschen in Griechenland.“
Hart für die Menschen in Griechenland – diesen Satz sollte man immer im Hinterkopf haben, wenn das Für und Wider bestimmter Umgangsweisen mit der Athener Regierung erörtert wird. Die jetzige, die des Alexis Tsipras, der die europäische Solidarität in unverantwortlicher Weise strapaziert hat, ist am wenigsten schuld an der Misere ihres Landes. Ein wahres Gebirge des politischen Versagens haben im Laufe der Jahre alle seine Vorgängerregierungen aufgehäuft, als sie unbezahlbare Wohltaten über ihre Parteigänger ausschütteten. Auf jede 100 Euro Einnahmen hat der griechische Staat seit 2002 mindestens 130 Euro ausgegeben. So einfach ist die Einnahmen- und Ausgabenrechnung. Dem einfachen Bürger hat die Regierung das verschleiert.

Es hat unter den Euro-Regierungen viele gegeben, die für einen „Grexit“ waren, für ein vermeintlich kontrolliertes Abdriften Griechenlands aus dem Euro. Vor allem Frankreich, Italien und Zypern haben das verhindert. Angela Merkel war klug genug zu erkennen, dass ein Beharren der Hardliner auf einen Schlussstrich, und das unter deutscher Führung, der Europäischen Union einen kaum reparablen Schaden zufügen würde. Die Führungsmacht Deutschland hätte im übertragenen Sinn Blut an den Händen, geriete Griechenland in Hungerrevolten und bürgerkriegsähnlichen Zuständen an den Rand des Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung.

Es ist so leicht zu sagen, dass die Finanzmärkte einen Crash der griechischen Wirtschaft in den Griff bekommen hätten – seit der Pleite von Lehman Brothers und deren Folgen sollte man niemandem trauen, der behauptet, an den Märkten alles im Griff zu haben.

Die Bundeskanzlerin nennt das Vermittlungsmandat, das sie jetzt vom Parlament erhielt, die letzte Chance eines Auftaktes zur Heilung der Griechenlandkrise. Merkel will Europa zusammenhalten. Sie gehört nicht zu denen, die immer wieder ein neues Narrativ für diesen Kontinent fordern, eine neue Begründung, warum die politische Einheit Europas erhalten bleiben muss. Wir brauchen keine neue Begründung. Es reicht die alte. Jean-Claude Juncker hat es ganz einfach beschrieben: Wer am Sinn der europäischen Einigung zweifelt, der soll auf die Soldatenfriedhöfe gehen.

Die Stimmung in der Bevölkerung ist, von wenigen Medien angeheizt, gegen weitere Hilfe für Griechenland. Deshalb muss ein Mann gewürdigt werden, der gestern als letzter regulärer Redner in der Bundestagsdebatte auftrat. Es war der CDU-Abgeordnete Ralph Brinkhaus, einer der Vizefraktionschefs der Union. Nachdem er seinen Respekt für die Kollegen ausgedrückt hatte, die mit Nein stimmen wollten, sagte er: „Ich habe noch viel mehr Respekt vor den Leuten, die heute Ja sagen und sich dafür gegebenenfalls im Wahlkreis verprügeln lassen müssen.“
So weit ist es gekommen.

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