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Der Leiter des Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam, Reinhard Hüttl.
© picture alliance/Bernd Settnik

Klimawandel: Ohne CO2-Speicherung geht es nicht

Deutschland sollte alle Optionen zur Minderung des CO2-Ausstoßes nochmals prüfen – auch Verfahren zum Abscheiden und Speichern im Untergrund. Ein Gastbeitrag.

Wissenschaft ist mehr als nur ein Beruf. Es ist eine Geisteshaltung: Eine organisierte Form des Zweifelns und eine Übereinkunft, sich an Regeln zu halten, die für alle gelten. Dazu gehören die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis ebenso wie Standards bei Einheiten und Messverfahren. In dieser Hinsicht ist das Ergebnis des Klimagipfels in Kattowitz zu begrüßen. Einheitliche Regeln sind die Grundlage wissenschaftsbasierter Entscheidungen. Ausnahmen bei Messverfahren kennt die Forschung nicht.

Was ich bei Diskussionen um Klimaschutz jedoch vermisse, sind umfassende Debatten über Anpassungsmaßnahmen. Das mag daran liegen, dass wir uns in Deutschland sicher fühlen, wenn wir über Klimawandel sprechen. Und es stimmt, dass ärmere Länder im Süden weit stärker betroffen sind von Wetterextremen, Missernten und steigenden Meeresspiegeln – ja, Plural, denn die Meeresoberfläche hat Berge und Täler.

Doch Deutschland darf sich nicht in Sicherheit wähnen. Mehr als 400 Waldbrände in Brandenburg in diesem Jahr, massive Ernteeinbußen und das Niedrigwasser auf dem Rhein haben gezeigt, was ein einziger Hitze- und Dürresommer anrichten kann. Trotz des billigen Rohöls stieg der Benzinpreis, weil Tankschiffe nicht fahren konnten. Die Waldbrände waren in Berlin und Brandenburg zu riechen, mit vielen Anrufen bei Feuerwehr und Polizei.

Die Bevölkerung in Ketzin wurde einbezogen

Gewiss, Deutschland ist ein Industrieland und kann sich besser vor Katastrophen schützen als andere. Aber wir haben eine hoch technisierte Infrastruktur, die empfindlich auf Störungen reagiert: Stromtrassen, Bahnlinien und Verkehrswege sind so ausgelastet, dass kleine Störungen große Folgen haben können. Hinzu kommt: Wir sind lange Hitzeperioden nicht gewohnt, Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Pflegeheime sind nicht daran angepasst. Ältere, schwache und kranke Menschen sind in ihrer Gesundheit von Hitzewellen bedroht.

Wir müssen uns also selbst an den Klimawandel und seine Folgen anpassen. Und wir sollten alle Optionen der Minderung des CO2-Ausstoßes nochmals prüfen. Dazu gehört die Abscheidung des Kohlendioxids aus technischen Prozessen, etwa bei der Zementherstellung, und die Speicherung im Untergrund, also Carbondioxide Capture and Storage (CCS).

Über vier Kilometer tief wurde in Ketzin gebohrt.
Über vier Kilometer tief wurde in Ketzin gebohrt.
© GFZ

Das GFZ hat gezeigt, dass es möglich ist, CO2 im Untergrund zu speichern und es wieder hervorzuholen. Der Speicher ist jetzt sicher verschlossen. Das Ganze geschah unter Einbeziehung der Bevölkerung in Ketzin, wenige Kilometer von Potsdam entfernt. Insofern kann ich nur mutmaßen, dass der Beitrag von Georg Nüßlein vor einigen Tagen im Tagesspiegel selbstkritisch gemeint war. Der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag hatte vom „Dilettantismus beim Versuch, die CO2-Speicherung in Deutschland zu ermöglichen“ geschrieben.

CCS bietet sich als Übergangslösung an

Ich kann beim besten Willen keinen Dilettantismus bei unserem Projekt in Ketzin erkennen. Wir haben hochprofessionell gearbeitet und kommuniziert. Ich habe in den Folgejahren aber erleben müssen, dass die Politik und leider auch einige Wirtschaftswissenschaftler/innen von dieser Technologie nichts mehr wissen wollten, sie gar für tot erklärten. Und das, obwohl es mehr als ein Dutzend auch großskaliger CCS-Projekte im Ausland gibt. Und obwohl die Szenarien des IPCC immer wieder die CO2-Speicherung einberechnen.

Es stimmt, dass es in anderen Regionen in Deutschland Widerstand gegen CCS-Versuchsprojekte gab. Dort haben die Verantwortlichen nach meinem Eindruck die lokale Bevölkerung nicht hinreichend einbezogen. Wir hätten mit CCS über die letzten Jahre viel CO2 abscheiden und in den Untergrund verbringen können. Deutschland setzt sich immer ehrgeizigere Klimaziele, doch Messungen zeigen: Unsere Emissionen sind nicht gesunken. Klar ist, dass CCS nur einen Beitrag zur Emissionsreduktion leisten kann und kein Allheilmittel ist. Als Übergangslösung bietet sich CCS, auch in Verbindung mit CCU, also der Nutzung von CO2 als Rohstoff, an. Dazu müssen CO2-Preise angepasst und die Emissionen einheitlich gemessen werden. Die Weltgemeinschaft hat in Kattowitz die Weichen dafür gestellt.

Prof. Reinhard F. Hüttl ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Geoforschungszentrums sowie Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft und der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften.

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