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Vorzeigbar. Das Kohlekraftwerk „Boundary Dam“ in Kanada ist das erste weltweit, in dem Kohlendioxid aus dem Abgas abgetrennt und in den Untergrund gebracht wird.
© Saskpower

CCS-Technik: Endlager für Kohlendioxid

Das Abscheiden und Speichern von CO2 gilt als letzte Chance für den Klimaschutz. Doch der Ausbau der Technik kommt kaum voran.

Vom Kohlekraftwerk „Maasvlakte 3“ in Rotterdam bis zur Küste sind es fünf Kilometer, bis zum Gasfeld im Meer noch einmal vier. In das entleerte Reservoir soll ab 2019 oder 2020 durch eine Pipeline verflüssigtes Kohlendioxid strömen, das von dem Kraftwerk stammt. Dort unten, in 3000 Meter Tiefe, soll das Treibhausgas gespeichert werden – wenn das „Rotterdam Opslag en Afvang Demonstratieprojekt“ (kurz: Road) weitergeht. Derzeit ist die Finanzierung unsicher.

Die Lage bei Road ist symptomatisch für das CCS-Verfahren (Carbon Capture and Storage, auf Deutsch „CO2-Abscheidung und -Speicherung“). Das Treibhausgas CO2, das in Kraftwerken und Fabriken entsteht, soll damit weggesperrt werden, voraussichtlich für immer. Klimaschützer setzen in CCS ihre letzte Hoffnung, um das Ziel des Pariser Klimagipfels noch erreichen zu können. Dort bekundeten Politiker im Dezember erneut, dass die globale Erwärmung nicht mehr als zwei Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau hinausgehen dürfe. Das klingt gut, ist aber laut Computermodellen zum CO2-bedingten Klimawandel kaum mehr einzuhalten. Ein Grad Erwärmung wurde 2015 bereits erreicht. Ohne CCS würde man irgendwann die Zwei-Grad-Marke überschreiten.

Biomassekraftwerke mit CCS könnten Kohlendioxid aus der Atmosphäre holen

Selbst wenn die Speichertechnik genutzt wird, ist das Problem nicht gelöst. Da der CO2-Gehalt der Luft zu schnell steigt, halten Fachleute sogar die Kombination von Biomassekraftwerken mit CCS für nötig. Auf diese Weise soll das von Energiepflanzen der Atmosphäre entzogene Kohlendioxid langfristig gespeichert werden.

Sollte es bei Road weitergehen, wäre es die erste komplette Demonstrationsanlage eines kommerziellen Kohlekraftwerks mit CCS in Europa. Gegenüber anderen Projekten habe Road einen wichtigen Vorteil, sagt Andy Read, der „Capture Manager“: Der CO2-Speicher sei von dem Kraftwerk nicht weit entfernt. Das senke die Kosten. Nützlich sei auch, dass sich der Speicher nicht unter bewohntem Gebiet befinde, sondern unter dem Meer. Andernorts verhindern oft Proteste von Anwohnern, dass das Gas in den Untergrund gepumpt wird.

Der Mangel an solchen Projekten sagt einiges über den Klimaschutz der Staaten

In letzter Zeit hatte die CCS-Technik enorme Rückschläge zu verzeichnen. Der Plan der Internationalen Energieagentur von 2009 ist längst Makulatur. Sie forderte, bis 2020 rund hundert CCS-Projekte aufzubauen und dabei 300 Millionen Tonnen CO2 zu speichern. Doch Politikern erschienen die Kosten zu hoch, viele Vorhaben wurden gestoppt. Das geht aus einer Bilanz hervor, die der Ökonom David Reiner von der Universität Cambridge kürzlich im Fachjournal „Nature Energy“ gezogen hat. Nach seiner Einschätzung ist CCS nach dem Hype von 2005 bis 2009 auf dem harten Boden der Wirklichkeit gelandet.

Im aktualisierten IEA-Fahrplan von 2013 ist nur noch von gut 30 anvisierten CCS-Kraftwerken die Rede. Selbst das ist laut Reiner ehrgeizig. Der Mangel an solchen Vorhaben sage womöglich mehr über die Ernsthaftigkeit, mit der Staaten dem Klimawandel begegnen, als über die CCS-Techniken an sich, schreibt er.

Das erste CCS-Kohlekraftwerk in Kanada

Immerhin ein globales Vorzeigeprojekt – das erste vollständige mit einem kommerziellen Kraftwerk – ist nun in Kanada in Betrieb. „Boundary Dam“ heißt das Kohlekraftwerk nahe Winnipeg. Dort sind seit Oktober 2014 rund 625 000 Tonnen CO2 abgeschieden worden. Den Großteil des Klimagases pressen die Betreiber in ein Erdölvorkommen, um die Viskosität des Öls zu senken und auf diese Weise mehr davon fördern zu können. Ein kleiner CO2-Anteil wird im Sinne des Klimaschutzes in einer salzhaltigen Grundwasserschicht gespeichert.

Kohlendioxid kann auf unterschiedliche Weise abgeschieden werden. Die bei Road und Boundary Dam genutzte nennt sich „Post-combustion“, also „nach der Verbrennung“. Diese Variante ist am besten erprobt und lässt sich bei Kraftwerken und Fabriken auch nachrüsten, erläutert der Energie- und Verfahrenstechniker Peter Markewitz vom Forschungszentrum Jülich. Mittels einer aminhaltigen Waschflüssigkeit wird den Abgasen CO2 entzogen. Anschließend lässt sich das in der Lösung gebundene Gas durch Erwärmung wieder freisetzen. „Der Vorteil besteht darin, dass das Kohlendioxid sehr rein ist“, sagt Markewitz. Das verringere mögliche Korrosionsschäden in der Pipeline, die durch Schwefelverbindungen und Wasser auftreten könnten.

Der Wirkungsgrad sinkt um 10 Prozentpunkte

„Nachteilig ist, dass der Wirkungsgrad eines Kraftwerks um rund zehn Prozentpunkte sinkt, wenn es für CCS ausgerüstet wird.“ Das gelte für alle Varianten der Technik. Daher arbeiten viele Entwickler daran, die erheblichen Mehrkosten zu senken.

Dazu gehört auch Marco Mazzotti, Verfahrenstechniker an der ETH Zürich. Er wirkt an einem EU-Projekt namens „Cemcap“ mit, in welchem Zementfabriken mit CCS ausgestattet werden sollen. Dafür wolle man eine alternative Waschflüssigkeit erproben, berichtet er: Eventuell könne man mit gekühltem Ammoniak die CO2-Abscheidung effizienter und günstiger machen als bisher.

Bei neuen Kraftwerken und Fabriken lässt sich CCS aber auch anders verbessern, etwa indem Kohle oder Gas nicht in Luft verbrannt werden, sondern in reinem Sauerstoff. „Oxy-combustion“ heißt das Verfahren. Die Abgase bestehen dadurch im Idealfall nur aus CO2 und Wasserdampf. „Problematisch ist dabei aber die ,Luftzerlegung’ vor der Verbrennung“, sagt Mazzotti. Reinen Sauerstoff aus Luft zu gewinnen, sei ähnlich schwierig und energieaufwendig wie die konventionelle Abtrennung von CO2 aus den Abgasen.

Endlagerung in tiefen Salzwasserschichten

Während weiter an Varianten der CO2-Abscheidung gefeilt wird, ist die Frage der Speicherung tendenziell geklärt. Neben entleerten Gasfeldern und unwirtschaftlichen Kohleflözen bieten weltweit vor allem salzhaltige Grundwasserschichten genug Platz für das Treibhausgas. Fachleute halten die Speicherung in diesen „Aquiferen“, typischerweise 800 Meter tief unter der Oberfläche und versiegelt durch wasserundurchlässige Schichten wie Ton oder Lehm, für sicher. Gerade in Europa hat es aber viel Widerstand gegen CCS-Projekte gegeben, weil Anwohner Lecks fürchteten.

Eine der Ursachen für die Proteste gegen CCS sieht der Sozialgeograf Ragnar Löfstedt vom King’s College London in einer verfehlten Risikokommunikation. Die Planer sollten früh das Heft in die Hand nehmen und die Bevölkerung mithilfe lokaler Medien informieren, um Vertrauen zu gewinnen, rät er im „Journal of Risk Research“. Einfacher sei es, wenn die Anwohner bereits mit ähnlichen Verfahren vertraut seien. Das war etwa beim CO2-Speicherprojekt des Deutschen Geoforschungszentrums in Ketzin bei Berlin der Fall, wo bereits ein Speicher für Stadtgas existierte.

Die Einführung der Technik dürfte mehr als eine Billion US-Dollar kosten

Entscheidend für den Erfolg der CCS-Technik wird nicht zuletzt sein, wie der Aufschlag von etwa 20 Prozent auf die Investitionskosten geleistet werden kann. Auf diese politische Frage hin kamen zuletzt negative Antworten. So kippte 2015 der britische Premier David Cameron eine großzügige Förderung der Kommerzialisierung von CCS-Projekten.

Soll die Technik für den Klimaschutz großflächig eingesetzt werden, ist das mit enormen Kosten verbunden. Schätzungen zufolge sind es mehr als eine Billion US-Dollar – allein bis 2050. „Regierungen und Unternehmen müssen sich zu Forschung, Entwicklung und Demonstrationsprojekten in nie dagewesenem Ausmaß verpflichten“, fordern die amerikanischen Energieforscher Daniel Sanchez und Daniel Kammen in einem Kommentar in „Nature Energy“.

Wie weit Wunsch und Wirklichkeit auseinanderliegen, zeigt auch das Beispiel Deutschland. Nach heftigen Bürgerprotesten und aufgrund fehlender Unterstützung durch die Politik wurden alle Vorhaben der Energiekonzerne gestoppt. Die Anlage zur Abscheidung des Kohlendioxids im Vattenfall-Kraftwerk Schwarze Pumpe wird derzeit abgebaut und verkauft. Forscher an verschiedenen Instituten, die an CCS gearbeitet hatten, haben sich mittlerweile meist anderen Themen zugewandt.

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