Volksabstimmung über Rundfunkgebühren: Öffentlich-rechtliche Sender schauen gespannt auf die Schweiz
Das Schweizer Referendum muss die Öffentlich-rechtlichen in Deutschland nicht beunruhigen. Aber die Diskussion wird auch hierzulande geführt.
Natürlich schauen die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland auf die Volksabstimmung in der Schweiz. Mit Spannung, aber nicht wirklich mit Angst, dass das Ergebnis große Auswirkungen auf ARD, ZDF und Deutschlandradio haben könnte.
Erst einmal gibt es in Deutschland keine Volksentscheide auf Bundesebene. Das lässt das Grundgesetz derzeit nicht zu. Auch die Rechtsprechung muss ARD, ZDF und Deutschlandradio keine Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Zwar ist die Kritik nach der Umstellung der geräteabhängigen Empfangsgebühr 2013 auf die Haushaltsabgabe angeschwollen, weil jeder monatlich 17,50 Euro bezahlen muss, egal, ob er überhaupt Radio hört und Fernsehen guckt. Auch das hat die Einnahmen der Anstalten auf über acht Milliarden Euro jährlich anschwellen lassen. Die Zwangsabgabe empfinden nicht wenige als ungerecht. Es gab zahlreiche Zahlungsverweigerungen und Klagen. Aber auf dem Gerichtsweg ist nichts zu holen, zuletzt hat das Bundesverwaltungsgericht im März 2016 entschieden, der Rundfunkbeitrag sei verfassungsgemäß. Jetzt hat sich das Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt.
Mit deutlichem Abstand vorn
Öffentlich zeigen die Sender keinen Triumph, sie argumentieren mit Rückhalt und Reichweite in der Bevölkerung für das öffentlich-rechtliche System. „ZDF und ARD sind hierzulande trotz der großen Konkurrenz mit deutlichem Abstand die meistgesehenen TV-Sender – und alle Umfragen zeigen, dass eine klare Mehrheit hinter ihnen steht“, sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut. Die Zustimmung zum Rundfunksystem sei deutlich größer, als es bei aller Kritik den Anschein hatte. Bellut erwartet aufgrund der derzeit eindeutigen Prognosen eine Ablehnung der „NoBillag“-Initiative – und damit auch den Fortbestand des öffentlichen Rundfunks in der Schweiz. Der ARD-Vorsitzende und BR-Chef Ulrich Wilhelm argumentierte im Gespräch mit dem Mediendienst dwdl.de, „manche fragen: Sollte man für Qualitätsinhalte nicht allein auf die Kräfte des Marktes vertrauen? Unsere Analyse ergibt ein eindeutiges Nein“.
„Kräfte des Marktes“ rekurriert auf die Haltung der „NoBillag“-Initiatoren, die auf Pay-TV und andere Bezahlmodelle setzen. Gezahlt werden soll nur für Medieninhalte, die auch genutzt werden.
Auch wenn die Gegner der Rundfunkgebühren in der Schweiz eine Niederlage einstecken werden müssen, das Thema bleibt in der Öffentlichkeit. Nicht nur in der Schweiz, auch in Großbritannien, in Italien, in Polen und in Ungarn weht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Wind ins Gesicht. Zwar sind die Gründe von Land zu Land verschieden – in Polen und Ungarn wollen die Regierungen Radio und Fernsehen zu Transporteuren ihrer Politik umbauen – aber unterm Strich muss auch ARD, ZDF, Deutschlandradio klar sein: Das Selbstverständliche ist weg, der beitragsfinanzierte Rundfunk sieht sich unter Rechtfertigungsdruck.
Erhöhter Druck
Betroffen sind in Deutschland nicht nur die Anstalten, sondern auch die Medienpolitik. Die Ministerpräsidenten – Rundfunk ist in Deutschland allein Ländersache – müssen demnächst wieder entscheiden, ob 17,50 Euro auch über 2020 hinaus ausreichen, Programm und Personal zu finanzieren. Gerade in den östlichen Bundesländern gibt es Skepsis mit Blick auf die künftige Beitragshöhe. In Sachsen, aber nicht nur dort, ist die Alternative für Deutschland (AfD) zur gewichtigen Einflussgröße gewachsen. Die AfD will den Rundfunkbeitrag abschaffen. Das färbt auf die Regierungsparteien ab, nichts anderes wird das Referendum in der Schweiz bewirken. Wahrscheinlich 40 Prozent Befürworter für das Ende der Rundfunkgebühren? Das macht Eindruck.
Rainer Robra, Chef der sächsisch-anhaltinischen Staatskanzlei und damit „Medienminister“ seines Bundeslandes, hofft auf eine Signalwirkung der Abstimmung in der Schweiz: „Ich setze darauf, dass die Verantwortlichen bei der Schweizerischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft jetzt Vorbild sind, wie man – zugegebenermaßen unter hohem öffentlichen Druck, aber am Ende doch freiwillig – Programmqualität, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann.“
Nichts anderes erwartet der CDU-Politiker von ARD, ZDF und Deutschlandradio in der fortlaufenden Debatte um die Reform der öffentlich-rechtlichen Sender, die übers Sparen hinaus deren Struktur erfassen und insbesondere auf den Programmauftrag abzielen soll. Robra warnte schon, wenn die Anstalten sich Reformen verweigerten, dann würden andere sie reformieren.Joachim Huber
Joachim Huber