Humboldt-Forum: Offen hinein in die Stadt
Die Stadt inszeniert mit dem Humboldt-Forum die eigene polyglotte Vielfalt. Ein Kommentar.
1500 Quadratmeter. So groß ist die Fläche für Wechselausstellungen des Humboldt-Forums im Schloss, in der ersten Etage, wo auch Berlins Landesbibliothek und die Humboldt-Universität ein Schaufenster haben. 1500 Quadratmeter, das ist wenig, selbst wenn sich der Spielraum für den künftigen Intendanten um Kino-, Bühnen- und Hörsaal erweitert und er auch im Eingangsbereich mit Schlüterhof und Passage noch was gestalten kann, temporär, open air, offen hinein in die Stadt.
Der große Rest vom Schloss gehört den Staatlichen Museen mit ihren außereuropäischen Sammlungen. Die sind schon weit mit ihrer Planung für die Obergeschosse, bestücken Vitrinen, bespielen den Kuppelsaal und drängen auf Bundesgelder für den multimedialen, publikumsattraktiven Ausstellungsparcour.
1500 Quadratmeter, das ist nichts? Es ist verdammt viel. Das Schloss liegt im Zeit- und Kostenplan – kaum zu glauben angesichts der vielen Berliner Skandal-Baustellen. Ob Deutschlands bedeutendstes Kulturprojekt bei der Eröffnung 2019 ein ethnologisches Museum mit angedockten Veranstaltungsräumlichkeiten ist oder ob dort jener Geist weht, wie er der Mitte Berlins, der Mitte Europas am Scharnier zwischen Ost und West gebührt, das entscheidet sich nicht zuletzt auf diesen Quadratmetern.
Ein Stück Bibliothek, ein Stück Berlin im Schloss, das ist das Mindeste
Dort könnte ein Intendant vom Kaliber eines Neil MacGregor Themen auf den Punkt inszenieren. Dass MacGregor, der ja im Gespräch sein soll, das Zeug dazu hat, beweist der Direktor des Britischen Museums schon mit seiner kleinen, furiosen Londoner „Germany“-Schau. Von dort, von der ersten Etage aus, könnte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dieses bisher nicht gerade für Transparenz bekannte Riesenkonglomerat von Museen, Sammlungen und Bibliotheken in die Pflicht genommen werden. Kulturstaatsministerin Monika Grütters wünscht sich einen Intendanten auf Augenhöhe mit Stiftungspräsident Parzinger, einen mit Gesamtverantwortung. Das heißt: Der Intendant wäre den Museen übergestellt, er soll sich einmischen, auch in den Obergeschossen. Gut so.
Ein weltoffenes Forum im Geist der Humboldt-Brüder, hier wäre der Ort, an dem die Nation die Globalisierung verhandelt. Migrantenströme und Flüchtlingspolitik, Heimat und Religion, Dialog und Clash der Kulturen, Occupy und Radikalisierung der Jugend, IS und Raubkunst, der Westen und Putin, das alles gehört ins Humboldt-Forum. Und die Schaukästen in den Obergeschossen weiten den Blick zurück in die Abenteuergeschichte der Entdeckung, der Vermessung, der Kämpfe um die Welt.
Berlin rühmt sich gern der eigenen Weltoffenheit. Beim Humboldt-Forum hat sich das Land nicht mit Ruhm bekleckert. Wowereit wollte raus mit der Landesbibliothek, um viele Millionen zu sparen, zauderte, knauserte bis zuletzt. Sein Nachfolger Michael Müller kann’s nur besser machen. Ein Stück Bibliothek, ein Stück Berlin im Schloss, das ist das Mindeste. Dann kommen auch die Berliner und nicht nur Touristen, die nach dem Pergamon-Altar die afrikanischen Segelschiffe bewundern wollen. Das Bibliotheksprojekt heißt „Welt der Sprachen“. Auch deshalb drängt die Intendantenfrage – damit der Sprachlabor-Platz nicht dem Museum zufällt. Tolle Vorstellung: Die Stadt inszeniert im Schloss die eigene polyglotte Vielfalt, ganz Berlin ein Humboldt-Forum – Yalla, Michael Müller.