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Die Wall AG bietet an manchen Stellen in Berlin schon kostenloses W-Lan. Bei der Ausschreibung der Stadt hat sie sich aber nicht beworben.
© Stephanie Pilic/dpa

Freier W-Lan-Zugang: Offen für alle

Die Bundesregierung will mehr kostenlose öffentliche W-Lan-Zugänge schaffen. Wie revolutionär ist der Plan?

Rund um das Bundesverkehrsministerium herrscht seit Donnerstag digitale Freiheit. Genau um Mitternacht öffnete das Haus von Minister Alexander Dobrindt (CSU) sein W-Lan-Netz für alle. Keine Barrieren, kein Kennwort, 50 Megabit pro Sekunde für bis zu 500 Nutzer gleichzeitig – an der Invalidenstraße steht die Internet-Welt jetzt jedermann offen. Bestimmt kein Zufall, dass der Christsoziale für die Aktion den Tag wählte, an dem im Haus gegenüber Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seinen Entwurf für ein neues W-Lan-Recht veröffentlichte. Das Zweite Telemedienänderungsgesetz, wie das Werk in schönster Bürokratensprache heißt, soll die digitale Freiheit bundesweit verbreiten. Das tut es auch – doch längst nicht so grenzenlos, wie es das Haus Dobrindt vormacht.

Was ist der Stand der Dinge?
Digital betrachtet ist der Exportweltmeister Deutschland in mancher Hinsicht noch Entwicklungsland. „In Kroatien gibt’s W-Lan am Strand“, ärgerte sich vor kurzem der CDU-Politiker Jens Spahn per Twitter. In Deutschland besitzt zwar nach einer Erhebung des Branchenverbands Eco im Schnitt jeder Bürger drei Geräte, mit denen er über den Kurzstrecken-Funk ins Netz könnte. Doch im ganzen Land sind von fast einer Million nichtprivater Hotspots gerade mal 15.000 offen zugänglich, macht 1,87 pro 10.000 Einwohner. Das ist nicht dramatisch besser als Russland (1,17) und weit entfernt von digitalen Musterländern wie den USA (knapp fünf) oder gar Südkorea mit 37,5 freien Funkknoten pro 10.000 Bürgern.
Der Rückstand hat keine technischen, sondern rechtliche Gründe. „Störerhaftung“ heißt das Stichwort. Das Konstrukt gibt es so fast nur im deutschen Recht. Wer sein W-Lan anderen öffnet, haftet dafür, wenn dieser Nutzer im Netz Illegales treibt, also „stört“. Das reicht von Kinderpornos bis zur Musik-Raubkopie. Von der Haftung ausgenommen sind nur „Provider“. Doch wer das ist, blieb unklar. Große Netzanbieter fallen eindeutig darunter. Aber einzelne Gerichte kamen schon zu dem Schluss, dass es keinen Grund gibt, Private anders zu behandeln als die Telekom oder Vodafone.

Wo schafft Gabriels Referentenentwurf jetzt mehr Möglichkeiten?
Im Prinzip vollzieht die Regierung den Trend der Rechtsprechung nach: Das Provider-Privileg soll künftig grundsätzlich für jedermann gelten. Doch die große Freiheit findet abgestuft dann doch wieder Grenzen. Wer „geschäftsmäßig oder als öffentliche Einrichtung“ ein W-Lan betreibt – egal ob sozusagen hauptberuflich oder nur nebenbei –, ist nur dann von Haftung frei, wenn er „zumutbare Maßnahmen“ gegen Missbrauch ergriffen hat.

Der Gesetzentwurf zählt Beispiele auf. Verschlüsselung ist wichtig, auch eine ausdrückliche Erklärung jedes Nutzers, dass er sich rechtskonform verhalten wird, entspricht den Anforderungen. Das ist heute oft schon üblich: Bevor sich die Internetseite eines Cafés oder im Hotel öffnet, muss der Nutzer sich per Häkchen bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Rechtstreue bekennen. Tatsächlich ist Gabriels Entwurf an diesem Punkt liberaler, als es maßgebliche Kräfte in und außerhalb der Regierung wollten. Sowohl den Innenpolitikern als auch den Branchen, die mit Urheberrechten zu tun haben, hatten auf eine Pflicht gedrängt, die Namen der Nutzer zu protokollieren. Sonst lasse sich nicht nachvollziehen, wer sich illegal im Netz betätigt hat, vom Terroristen bis zum Musik-Piraten. Allerdings hätte eine solche Pflicht – abgesehen von datenschutzrechtlichen Bedenken – das Ziel der Novelle geradezu konterkariert, die Kommunikation mit aller Welt für alle zu erleichtern. Für gewerbsmäßige W-Lan-Betreiber und Behörden ist sie also vom Tisch. Für Private hingegen bliebe sie bestehen: „Sonstige Diensteanbieter“ müssen nach dem Entwurf „die Namen der Nutzer kennen, denen sie Zugang gewährt haben“.

Welche Einwände gibt es dagegen?
So sehr auch alle Kritiker anerkennen, dass der Gesetzentwurf gegenüber dem heutigen Zustand ein Fortschritt ist – als Durchbruch feiern mögen sie ihn nicht. Der Netzverein Digitale Gesellschaft sieht das Land damit sogar weiter „in der digitalen Steinzeit“>. Geschäftsführer Alexander Sander verweist vor allem auf den Tourismus. Menschen aus fernen Ländern tun sich schwer damit, die Hürde zu abgeschotteten Netzen zu überwinden. Digitale Stadtführer? Fehlanzeige.

Doch die deutlichste Kritik gilt den Plänen für Privatpersonen, die zugleich die „Freifunk“-Bewegung treffen. Da habe sich ein Sicherheitsdenken durchgesetzt, das nach Abschreckung statt nach Freiheit rieche. „Wie wahrscheinlich ist denn ein Terrorist, der sich mit einem Laptop auf dem Schoß ins Treppenhaus setzt?“, ärgert sich Volker Tripp, Sprecher der Digitalen Gesellschaft. Ähnlich sieht das Christian Heise vom Förderverein freie Netzwerke. Dem vor zehn Jahren gegründeten Verein gehören 150 Gruppen mit zusammen 10.000 W-Lan-Zugangspunkten an. Besonders seit dem NSA-Skandal verzeichneten die Freifunker Zulauf. Für sie ist schon die Verschlüsselung etwas, was sie weder wollen noch sinnvoll umsetzen können. Ihnen blieben weiter wohl nur Tricks wie die Umleitung des Datenverkehrs ins Ausland, um ihr Ziel einer dezentralen W-Lan-Struktur zu erreichen.

Wie sieht es die Politik?
Der Vorsitzende des Ausschusses Digitale Agenda im Bundestag, Lars Koeppen, nennt die Regelungen für Private „eher unglücklich“. Der CDU-Mann findet die Unterscheidung zwischen gewerblichen und privaten W-Lans unschlüssig. Dass, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, sich in Privaträumen leichter Internet-Straftaten begehen ließen, sei ja wohl „ein wenig weltfremd“: Als ob man in der Ecke im Café fürchten müsste, dass der Nachbar beim digitalen Filmeklau zuschaut! Koeppen versteht auch nicht, was mit einer Nutzer-Namensliste gewonnen wäre; es könne ja keiner eine private Vorratsdatenspeicherung wollen.
Er wird sich für Nachbesserungen einsetzen. Auch SPD-Fachkollege Lars Klingbeil will „sehr genau hinschauen, ob es Möglichkeiten für Verbesserungen gibt“. Kroatien-Urlauber Spahn fände das angebracht. Bei allem Fortschritt in die richtige Richtung, moniert er, bleibe die Debatte um das Gesetz doch symptomatisch für unser Land: „Es geht immer zuerst um die Abwehr von Risiken, wo es um Freiheit und Kreativität gehen müsste.“

Wie ist der Stand der Dinge in Berlin?

In Berlin ist Ende Januar eine Ausschreibung zu Ende gegangen, mit der die Stadt nach Betreibern für Hotspots in Bürgerämtern sucht. Es gab sieben Bewerber. „Im Sommer werden die ersten Hotspots in Berlin starten“, verspricht Björn Böhning (SPD), Chef der Senatskanzlei. Die Wall-AG, die an ausgewählten Orten in Berlin schon gratis W-Lan anbietet und in Düsseldorf und Freiburg Ausschreibungen für W-Lan-Netze gewonnen hat, machte allerdings kein Angebot. „Die Ausschreibung entsprach nicht unserem Geschäftsmodell“, sagte Wall-Sprecher Michael Weran. Der Senat sah laut Wall nur 30 Freiminuten und ein anschließendes Bezahlmodell vor. Die Wall-AG setzt dagegen auf unbegrenzte und kostenlose Zugänge. Finanzieren möchte sie dies über ein Tauschgeschäft mit Werbeflächen. „Die aktuelle Ausschreibung passt auch zum Wall-Geschäftmodell“, behauptet Böhning. Er zeigt sich aber zuversichtlich, dass die Hotspots in Berlin auch ohne Wall funktionieren wird.

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