Nach Pannen am Warntag: Oberster Katastrophenschützer muss Posten räumen
Auch wenn der bundesweite Warntag fehl schlug, findet die Opposition die Ablösung des Behördenchefs mitten in der Pandemie "höchst bedenklich".
Als die Corona-Pandemie in Deutschland begann, war Christoph Unger ein gefragter Mann. Geduldig erklärte der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, dass es zwar sinnvoll sei, sich Lebensmittelvorräte anzulegen, aber unsinnig, Berge an Toilettenpapier zu hamstern.
Er versuchte, Alarmstimmung entgegenzuwirken und versicherte in ruhigem Ton, dass weder die Strom- noch die Lebensmittelversorgung in Deutschland in Gefahr sei. Und er gab die Tipps seiner Fachleute weiter, wie Eltern mit Kindern eine Ausnahmesituation wie einen Lockdown meistern können.
Doch nun ist Unger, seit 2004 Deutschlands oberster Katastrophenschützer, seinen Posten offenbar los. Nachdem es vor einer Woche Pannen beim ersten bundesweiten Warntag gegeben hatte, soll der Behördenchef abgelöst werden, wie die dpa unter Verweis auf die Unions-Bundestagsfraktion berichtete.
Aus dem Innenministerium, dem die Behörde untersteht, gab es zunächst keine Bestätigung. Er habe von Personalentscheidungen keine Kenntnis, sagte ein Sprecher.
Seehofer will Bevölkerungsschutz neu ordnen
Innenminister Horst Seehofer (CSU) habe nach dem Warntag in der vergangenen Woche aber deutlich gemacht, dass beim Bevölkerungsschutz in Deutschland „grundsätzlicher Veränderungsbedarf“ bestehe, sagte der Sprecher. Seehofer hatte die Aufarbeitung zur Chefsache erklärt. „Wir müssen das völlig neu ordnen, da kümmere ich mich persönlich“, sagte der Minister.
Bei dem großangelegten Testlauf der Warnsysteme unter Federführung des Bundesamts hatte es am vergangenen Donnerstag Probleme gegeben. Die bundesweite Testwarnung und deren Verbreitung über Warn-Apps (Nina und Katwarn) hatte sich um 30 Minuten verzögert und war verspätet auf den Smartphones angekommen. Das Bundesinnenministerium hatte den Probealarm deshalb als „fehlgeschlagen“ bezeichnet. Grund sei ein technisches Problem gewesen.
Auch Behördenchef Unger hatte Defizite eingeräumt. Er machte verschiedene Leitstellen dafür verantwortlich, dass die Warn-Apps auf den Handys nicht funktioniert hatten. „Sie haben sich nicht an die Absprachen gehalten“, sagte er.
Es sei vereinbart gewesen, dass das Bundesamt die Apps alleine von Bonn aus bedienen würde. Stattdessen seien fast zeitgleich etwa 30 andere Warnmeldungen rausgegangen. „Das hat das System nicht verkraftet“, sagte Unger. Bis zum nächsten Warntag im September 2021 müssten die Defizite bereinigt werden.
Im Innenausschuss sorgte die Meldung der Ablösung für Irritationen. Der zuständige Innen-Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) sagte dort auf die Frage, ob Unger noch Chef der Behörde sei, er wolle sich in diesem Kreis nicht zu Personalangelegenheiten äußern. „Das Parlament in so einer wichtigen Frage nicht zu informieren, ist vollkommen inakzeptabel“, kritisierte die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, gegenüber dem Tagesspiegel.
Grünen-Innenexpertin: Seehofers Personalpolitik zunehmend "planlos und irritierend"
Seehofers Personalpolitik erscheine „zunehmend planlos und irritierend“, sagte die Grünen-Politikerin. In der Vergangenheit habe Seehofer „stets“ seine schützende Hand über Leiter von Sicherheitsbehörden gelegt und das auch trotz persönlicher Verfehlungen. Bei Unger könne sie die bisher nicht erkennen. „Eine so harte Gangart wegen Problemen bei einer Übung ist für mich nicht nachvollziehbar. Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen“, sagte sie.
Auch die Tatsache, dass Unger inmitten einer Pandemie abgelöst werden soll, findet Mihalic „höchst bedenklich“. Als Behördenchef war der Jurist auch Mitglied des Krisenstabs des Bundesinnenministeriums zur Eindämmung des Coronavirus.
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