Streit um Briefwahl in den USA: Obama wirft Trump „Unterdrückung von Wählerstimmen“ vor
US-Präsident Trump will der Post Geld verweigern, das für eine reibungslose Briefwahl nötig wäre. Sein Vorgänger Barack Obama ist empört.
Der frühere US-Präsident Barack Obama hat seinem Nachfolger Donald Trump vorgeworfen, im Streit um Briefwahlen bewusst die Post zu schwächen. Der US-Demokrat schrieb am Freitag bei Twitter, alle - unter anderem Senioren, Veteranen und kleine Betriebe - seien auf den US Postal Service (USPS) angewiesen. "Sie dürfen kein Kollateralschaden einer Regierung werden, die mehr mit der Unterdrückung von Wählerstimmen als mit der Unterdrückung eines Virus beschäftigt ist."
Vor der Präsidentschaftswahl im November tobt in den USA ein Streit über Briefwahlen, bei dem die staatliche Post zunehmend in den Fokus geraten ist. Trump hat Briefwahlen immer wieder scharf kritisiert und als besonders betrugsanfällig kritisiert, obwohl Experten widersprechen. Schätzungen zufolge könnten in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie mehr als doppelt so viele Menschen ihre Stimme per Post abgeben, um einen Gang ins Wahllokal zu vermeiden.
Offenbar befürchtet Trump, dass die oppositionellen Demokraten von einer Ausweitung der Briefwahlen profitieren könnten. Kritiker werfen dem Republikaner jetzt vor, gezielt die Post zu schwächen, um Briefwahlen zu torpedieren. Verzögerungen beim Verschicken der Wahlzettel an die Wähler und bei der Rücksendung an die Wahlbehörden könnten dazu führen, dass Millionen Wählerstimmen nicht berücksichtigt werden.
Mit Interview-Äußerungen über Finanzhilfen für die Post sorgte Trump zuletzt für Empörung. Mit Blick auf Forderungen der Demokraten, der Post im Zuge eines neuen Corona-Hilfspakets Milliardenhilfen zukommen zu lassen, sagte Trump: "Sie brauchen dieses Geld, damit die Post funktioniert, damit sie mit all den Millionen Wahlzetteln umgehen kann. Aber wenn sie es nicht bekommen, dann kann es keine allgemeinen Briefwahlen geben, weil sie dafür nicht ausgestattet sind."
Das wurde dem Präsidenten so ausgelegt, dass er Finanzhilfen für die Post blockieren will, damit die Briefwahlen nicht ausgeweitet werden können. "Typisch Trump", reagierte sein demokratischer Herausforderer Joe Biden. "Er will keine Wahlen." In anderen Äußerungen deutete der Präsident aber Kompromissbereitschaft an.
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Für Misstrauen sorgt insbesondere, dass Trump im Frühjahr den konservativen Geschäftsmann und wichtigen Wahlspendensammler Louis DeJoy zum Postchef gemacht hatte. Kritiker bezeichnen ihn als Handlanger des Präsidenten, der die seit geraumer Zeit finanziell angeschlagene Post weiter schwächen und die Auslieferung von Briefen verlangsamen soll.
Die Corona-Pandemie stellt die Organisatoren der Präsidentschaftswahl ohnehin vor große Herausforderungen. Die Behörden sind schlecht auf einen massiven Anstieg von Briefwahlstimmen vorbereitet. Obama rief die Wähler am Freitag auf, ihre Stimme so früh wie möglich abzugeben.
Kritiker werfen Trump vor, mit seinen Attacken auf Briefwahlen die Glaubwürdigkeit der Wahlen insgesamt untergraben zu wollen - um im Falle einer Niederlage das Wahlergebnis in Zweifel ziehen zu können. In Umfragen liegt der wegen seines Umgangs mit der Corona-Krise und den Black-Lives-Matter-Protesten in die Kritik geratene Amtsinhaber derzeit hinter Biden. (AFP)