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US-Präsident Barack Obama schickt Bodentruppen in den Tschad, um bei der Suche nach den in Nigeria verschleppten Mädchen zu helfen.
© dpa
Update

Verschleppte Mädchen in Nigeria: Obama entsendet US-Bodentruppen zur Unterstützung

US-Präsident Barack Obama hat rund 80 US-Soldaten in den Tschad verlegen lassen. Sie sollen sich an der Suche nach den mehr als 200 Mädchen beteiligen, die in Nigeria von der Islamistengruppe Boko Haram verschleppt wurden.

Die USA unterstützen die Suche nach den mehr als 200 in Nigeria verschleppten Schülerinnen nun auch mit Bodentruppen. US-Präsident Barack Obama teilte am Mittwoch mit, dass rund 80 US-Soldaten in das Nachbarland Tschad verlegt worden seien. Bislang hatte sich die US-Armee mit Aufklärungsflugzeugen und Drohnen an der Suche nach den Mädchen beteiligt, die vergangenen Monat von der Islamistengruppe Boko Haram verschleppt worden waren.

Die US-Einheit werde die "Geheimdienst- und Aufklärungsoperation" im Norden Nigerias und den umliegenden Gebieten unterstützen, hieß es in einem Schreiben von Obama an den Kongress. "Die Kräfte werden im Tschad bleiben, bis ihre Unterstützung bei der Beendigung der Entführung nicht länger benötigt wird." Vergangene Woche hatte das Pentagon bestätigt, dass das US-Militär eine Drohne vom Typ Global Hawk und ein Turbopropflugzeug MC-12 für Aufklärungsflüge in der Region einsetzt. Washington berät die Regierung Nigerias außerdem mit einem Expertenteam, dem Militärangehörige des US-Regionalkommandos für Afrika (AFRICOM), FBI-Polizisten sowie Mitarbeiter des Außenministeriums und der US-Entwicklungshilfebehörde USAID angehören.

In Nigeria gerät die Gewalt unterdessen immer mehr außer Kontrolle. Nach einer Reihe blutiger Überfälle auf verschiedene Dörfer in der Nordostprovinz Borno sowie zwei Anschlägen in der Hauptstadt Abuja im April sind jetzt bei zwei schweren Bombenexplosionen im Geschäftsviertel der Stadt Jos im Zentrum des Landes etwa 120 Menschen ums Leben gekommen. Nur wenige Stunden später wurden in einem Dorf im Nordosten des Landes 30 Menschen getötet. Bewohner berichteten der Zeitung „Leadership“, die Männer hätten unter den Rufen „Allahu akbar“ um sich geschossen.

Die Anschläge in Jos ereigneten sich auf einem belebten Markt und 30 Minuten später nahe einem Hospital. Sie waren darauf angelegt, so viele Menschen wie möglich zu töten. Dies ist für gewöhnlich ein Markenzeichen der islamistischen Terrorbande Boko Haram, die für fast alle anderen Angriffe die Verantwortung übernommen hatte, darunter auch die Entführung von mehr als 270 Schülerinnen aus einem Internat in der nordöstlichen Kleinstadt Chibok.

Bei einem Terroranschlag in der Stadt Jos in Nigeria sind etwa 120 Menschen getötet worden.
Bei einem Terroranschlag in der Stadt Jos in Nigeria sind etwa 120 Menschen getötet worden.
© reuters

Nigeria: Terroristen von Boko Haram demonstrieren ihre Macht

Die enorme Zerstörungskraft der Bomben ist nach Angaben von Beobachtern ein weiteres Indiz dafür, dass Boko Haram inzwischen wieder in der Lage ist, komplexe Sprengsätze zu bauen und diese zu zünden. Immer mehr Experten gehen deshalb inzwischen von einer verdeckten Kollaboration zwischen Teilen der Politikerkaste und der Armee des Landes auf der einen und den islamistischen Terroristen auf der anderen Seite aus. Mit dem neuen Anschlag will Boko Haram wohl auch zeigen, dass das Operationsgebiet der Islamisten mittlerweile weit über ihre einstigen Hochburgen im Nordosten hinausreicht. Erst am Dienstag wurden in einer weiteren Mord- und Plünderorgie 17 Menschen bei einem mehrstündigen Überfall auf das Dorf Alagarno im Nordosten Nigerias getötet.

Neben dieser Region könnten nun auch Jos und der nigerianische Bundesstaat Plateau zu einer neuen Front der Islamisten werden. Traditionell wird die Stadt von christlichen Gruppen dominiert. Allerdings hat der starke Zuzug muslimischer Haussa-Fulani aus dem verarmten Norden in den vergangenen Jahren zu Verteilungskämpfen geführt, die oft anhand ethnischer Linien verlaufen. Eine Folge davon ist, dass Jos inzwischen eine in zwei Teile zerfallene Stadt ist, in der die Bewohner größere Umwege auf sich nehmen, um nicht in ein von der jeweils anderen Religion kontrolliertes Viertel zu geraten.

"Es geht allein um die politische Kontrolle"

Die Gewalt ist aber mehr als nur ein Kampf zwischen den Glaubensgemeinschaften. So gelten die muslimischen Gruppen in der Provinz noch immer als Siedler, was sie von einer Reihe politischer Positionen ausschließt. Doch genau diese bieten in Nigeria oft die einzige Möglichkeit, um zu Einfluss und Wohlstand zu gelangen. „In Jos kämpft niemand um das religiöse Paradies “, glaubt Shedrack Best, Direktor am Zentrum für Konfliktmanagement an der Universität von Jos. „Es geht allein um die politische Kontrolle.“

In den vergangenen beiden Jahren haben die Spannungen zwischen Muslimen und Christen in Nigeria, angefeuert von Boko Haram und dem von der Bande ausgeübten Terror, ständig zugenommen. Verschärft wird die Lage durch die Einführung der Scharia, des islamischen Rechts, in drei weiteren muslimisch dominierten Bundesstaaten. Schon im Jahr 2000 hatten zwölf Bundesstaaten die Scharia zum gültigen Recht gemacht. Besonders kontrovers ist nun aber, dass die Scharia von der muslimischen Mehrheit dort auch gegenüber religiösen Minderheiten praktiziert wird, obwohl ein solcher Schritt gegen die in der Verfassung des Landes garantierte Religionsfreiheit verstößt.

Das Schicksal der entführten Schülerinnen in Nigeria ist noch ungeklärt

Erst am Wochenende hatten Frankreich und Nigeria, gemeinsam mit vier weiteren westafrikanischen Staaten, in Paris einen Aktionsplan gegen Boko Haram beschlossen. So sollen fortan der Informationsaustausch der Geheimdienste verstärkt und die Grenzen zwischen den jeweiligen Ländern besser kontrolliert werden, um ein Übergreifen der Terrorkampagne von Boko Haram auf Tschad, Kamerun und Niger zu verhindern.

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