Muslimische Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg: Nur von der AfD kam kein Applaus
Muhterem Aras, die neue Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg, ist die erste Grüne und erste Muslima in diesem Amt. Nach ihrer Wahl gab es Streit mit der AfD.
Erste Frau, erste Grüne und erste Muslima: Muhterem Aras bricht in vielerlei Hinsicht mit der Tradition ihrer Vorgänger im Amt des baden-württembergischen Landtagspräsidenten. Das waren stets Männer mit CDU-Parteibuch, darunter bis 2015 auch Guido Wolf. Der glücklose Spitzenkandidat, der nun Justiz- und Tourismusminister werden soll, hatte als jovialer Parlamentspräsident mit Hang zu schwäbischen Mundartgedichten noch wesentlich mehr Fans als jetzt.
„Wir haben heute Geschichte geschrieben“, sagte Aras nach ihrer Wahl am Mittwoch. 96 der 143 Abgeordneten hatten da gerade für sie gestimmt. Aras, 50 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern, sitzt erst seit 2011 im Landtag, war aber mit 42,4 Prozent in ihrem Stuttgarter Wahlkreis Stimmenkönigin der baden-württembergischen Grünen. Ihre Lebensgeschichte ist die einer Integration wie aus dem Bilderbuch – die allerdings viel Kraft gekostet haben muss.
Geboren wurde Aras in einem Dorf in Ostanatolien, als Kind einer kurdisch-alevitischen Familie. Der Vater geht als Arbeiter nach Filderstadt, er holt die Familie nach, als Muhterem Aras bereits zwölf ist, ihre Mutter ist bis heute Analphabetin. Aras schafft es von der Hauptschule bis an die Uni Hohenheim, studiert Wirtschaftswissenschaften, gründet eine Steuerkanzlei, die heute zehn Mitarbeiter hat.
Zweiter Stellvertreterposten wurde gestrichen
Aras schilderte einmal, dass ihr von ihren Eltern vieles erlaubt worden sei, sie durfte zum Schwimmen oder in den Tanzkurs. „Was uns nicht erlaubt war, ohne dass es offen kommuniziert werden musste: Wir Mädchen durften keinen Freund haben.“ Sie habe dann früh, als 20-Jährige, geheiratet.
Von besonderem Interesse ist Aras’ Wahl auch, weil die Opposition im Landtag von der AfD angeführt wird, aus der islamfeindliche Töne kommen. Über die AfD sagte Aras einmal: „Sie haben Tendenzen, sich an den Rändern der Verfassung zu bewegen.“ Sie betont allerdings, sie wolle das gesamte Parlament repräsentieren. „Ich werde mit der AfD sehr korrekt nach der Geschäftsordnung des Landtags umgehen“. Voraussetzung sei, dass die AfD sich an die parlamentarischen Grundregeln halte.
Überschattet wurde die Konstituierung des Landtags von einem Streit über die Zahl der Landtagsvizepräsidenten. Die Mehrheit strich den zweiten Stellvertreterposten, der der AfD zugefallen wäre. Die AfD-Fraktion, darunter auch ihr Chef Jörg Meuthen, verweigerte den Applaus, als Aras sich für ihre Wahl bedankte.