Familiennachzug von Flüchtlingen: Nur Ehepartner und Kinder dürfen nachkommen
Die Koalition streitet über den Familiennachzug von Flüchtlingen. Die Dimension bleibt dabei Spekulation, denn es gibt kaum Daten über die Flüchtlinge und ihre Lebensumstände.
Der Familiennachzug von Flüchtlingen steht derzeit im Zentrum der Debatte um die Begrenzung der hohen Flüchtlingszahlen. Innerhalb der Koalition wird seit Tagen gestritten, in welchem Umfang der Nachzug von Familienangehörigen eingeschränkt werden soll. Die Frage, wie viele zusätzliche Flüchtlinge über diesen Weg nach Deutschland kommen könnten, ist allerdings völlig unklar. Innenminister de Maizière spricht pauschal von einem „Vielfachen“ der bisherigen Flüchtlinge, in der CSU kursieren gar Zahlen von bis zu sieben Millionen Menschen. Viele sehen ganze Großfamilien auf dem Sprung nach Deutschland. Fakt ist jedoch, dass Flüchtlinge lediglich ihre sogenannte Kernfamilie – das sind der Ehepartner und Kinder, im Fall minderjähriger Flüchtlinge die Eltern – nachholen dürfen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes (AA) sprach angesichts von Millionenschätzungen kürzlich denn auch von „sensationalistischen“ Zahlen, die mit der Realität nichts zu tun hätten.
Antragsstau bei den deutschen Botschaften
Da Familienangehörige von Flüchtlingen bei den deutschen Auslandsvertretungen ein Visum beantragen müssen, ist das AA direkt in das Thema involviert. Aktuelle Zahlen gibt es aber auch dort nicht. Für das erste Halbjahr 2015, so die Auskunft, stellten die deutschen Botschaften weltweit mehr mehr als 30 000 Visa im Rahmen der Familienzusammenführung aus. Das sind nicht eben viele. Ein AA-Sprecher gestand am Montag jedoch in Berlin ein, dass der Andrang von Ausreisewilligen in den Botschaften rund um Syrien im Moment sehr groß sei und die Mitarbeiter mit der Bearbeitung von Visaanträgen nicht nachkämen. Es komme daher zu langen Wartezeiten. Demnach wird sich das Ausmaß des Nachzugs erst zeitverzögert auswirken.
Grundsätzlich wurde der Familiennachzug in Deutschland bisher großzügig gehandhabt. Möglicherweise machen sich auch deshalb besonders viele Männer zunächst allein auf den Weg. Diese Gruppe ist entscheidend, wenn es um den Familiennachzug geht. Wie groß sie genau ist und wie viele der Männer verheiratet sind und Familien nachholen könnten, ist allerdings wiederum nicht bekannt. Solche Daten werden bisher schlicht nicht erfasst. Sicher scheint nur zu sein, dass die Zahl der Alleinreisenden zurückgeht. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte am Montag dem Tagesspiegel, in den vergangenen Wochen seien deutlich mehr Flüchtlinge bereits im Familienverbund angekommen als zuvor.
Union hält an Plänen des Innenministers fest
Trotz der unsicheren Datenbasis wird der Familiennachzug vor allem in der Union als wichtige Stellschraube in der aktuellen Flüchtlingskrise gesehen. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner beschlossen CDU und CSU daher in der vergangenen Woche, den Nachzug für alle Flüchtlinge auszusetzen, die nur subsidiären Schutz genießen. Diesen Flüchtlingen wird zunächst nur ein Aufenthalt für ein Jahr gewährt, der aber verlängert werden kann. Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums sind das aktuell 1366 Personen. Minister Thomas de Maizière (CDU) hatte Anfang vergangener Woche allerdings veranlasst, dass auch syrische Flüchtlinge künftig wieder unter diese Schutzklausel fallen sollen. Denn subsidiärer Schutz wird in der Regel Bürgerkriegsflüchtlingen gewährt, die in ihrer Heimat nicht individuell verfolgt werden. Da dies aber mit einer zeitaufwendigen Einzelfallprüfung verbunden ist, war das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dazu übergegangen, Syrer gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention unter einen sogenannten primären Schutz zu stellen. Er sieht einen Aufenthalt von drei Jahren und auch den Familiennachzug vor. Und anders als beim subsidiären Schutz kann der Nachzug hier nicht einfach ausgesetzt werden.
Auch Afghanen sollen anders behandelt werden
Über den Erlass des Ministers wird in der Koalition heftig gestritten. Weder das Kanzleramt noch die SPD kannten ihn, als sich die Spitzen der Koalition am vergangenen Donnerstag darauf einigten, den Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge für zwei Jahre auszusetzen. Am Freitag wurde er daher kurzfristig wieder zurückgenommen. Für die CSU und Teile der CDU ist ein Nachzugsstopp für syrische Frauen und Kinder aber kein Tabu. Die SPD lehnt es dagegen ab, den Status syrischer Flüchtlinge zu verändern. Bei Afghanen sieht die Sache schon anders aus. Laut Koalitionsbeschluss will Deutschland Afghanistan helfen, innerstaatliche Fluchtalternativen, sprich Schutzzonen, zu schaffen, und „vor diesem Hintergrund die Entscheidungsgrundlagen des Bamf überarbeiten und anpassen“.