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Der Grünen-Politiker Hans-Christian Stöbele wirft der großen Koalition eine absichtliche Verzögerungstaktik vor.
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Update

Nach Rückzug von Binninger: NSA-Ausschuss vertagt Entscheidung über Snowden-Befragung

Soll Edward Snowden im NSA-Ausschuss aussagen oder nicht? Die Koalition hat die Entscheidung jetzt vertagt - und erntet Kritik von der Opposition. Merkels anstehender USA-Besuch stecke dahinter, meinen die Grünen.

Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen hat der NSA-Untersuchungsausschuss die strittige Entscheidung über eine Befragung des Ex-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden vertagt. Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) erklärte, die Frage werde am 8. Mai erneut beraten. Bis Anfang Mai soll die Bundesregierung eine Stellungnahme abgeben, ob und in welcher Form eine Befragung Snowdens überhaupt möglich ist. Die Opposition hat die Verzögerung kritisiert und beklagte, es gehe Schwarz-Rot nur darum, den Beschluss auf die Zeit nach der USA-Reise von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang Mai zu verschieben.

Die Sitzung wurde mehrfach unterbrochen, um rechtliche Fragen zu klären.

Im vergangenen Sommer war in Etappen bekanntgeworden, dass der US-Geheimdienst NSA und andere ausländische Nachrichtendienste im großen Stil deutsche Daten abgeschöpft haben. Snowden - ein Ex-Mitarbeiter der National Security Agency (NSA) - hatte geheime Dokumente des Nachrichtendienstes an Journalisten übergeben und die Affäre damit ins Rollen gebracht. Der Ausschuss soll die Vorgänge nun aufarbeiten und auch einer möglichen Beteiligung deutscher Nachrichtendienste nachgehen. Das achtköpfige Gremium hatte erst in der vergangenen Woche seine Arbeit aufgenommen.

Die Opposition hatte gleich zu Beginn einen Antrag zur Ladung Snowdens eingebracht. Die Koalition hält die Vernehmung des Amerikaners dagegen nicht für vorrangig.

Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden Binninger

Der Streit führte bereits zu Verwerfungen: Der bisherige Vorsitzende des Gremiums, Clemens Binninger (CDU), hatte am Mittwoch überraschend seinen Rücktritt erklärt und dies mit der Auseinandersetzung über Snowden begründet. Die Grünen meldeten Zweifel an dieser Version an und mutmaßten, die Koalitionsfraktionen und das Kanzleramt hätten Druck auf Binninger gemacht, um eine Befragung Snowdens zu verhindern. Deshalb habe der CDU-Politiker seinen Hut genommen.

Der SPD-Obmann Christian Flisek erklärte am Donnerstag, die Koalitionsfraktionen wollten zunächst per Antrag die Bundesregierung ersuchen, die Möglichkeiten für eine Befragung Snowdens zu prüfen. Erst danach solle der Ausschuss über eine Ladung des Ex-NSA-Mitarbeiters entscheiden. Nach dem Willen der Koalition soll dies nun frühestens in der nächsten Sitzung des Ausschusses am 8. Mai passieren. Kurz zuvor, Anfang Mai, will Merkel in die USA reisen.

Opposition kritisiert das Hinauszögern

Oppositionspolitiker wähnen einen Zusammenhang zwischen dem Besuch und den Bemühungen der Koalition, die Entscheidung über die Snowden-Befragung hinauszuzögern. „Nach der letzten Sitzung hatten sich auch Kollegen von SPD und Union aufgeschlossen gezeigt, Herrn Snowden im Ausschuss als Zeugen zu hören“, sagte der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele der „Passauer Neuen Presse“. Das habe sich plötzlich wieder geändert. „Die Bundeskanzlerin will dies offenbar verhindern und hat vor ihrem Besuch in den USA kein Interesse an Aufklärung, sondern nur daran, das Ausspionieren vergessen zu machen“, sagte Ströbele, der Snowden selbst in Moskau getroffen hatte.

Das deutsch-amerikanische Verhältnis hatte durch die NSA-Affäre Schaden davongetragen. Würde der Bundestag Snowden offiziell als Zeugen laden, dürfte das die Beziehungen weiter belasten. Snowden wird von den USA per Haftbefehl gesucht.

Die Opposition will sich aber nicht vertrösten lassen. Die Grünen drängten zur Eile. „Wir müssen in die Puschen kommen“, sagte der Grünen-Obmann Konstantin von Notz. Die Koalitionsfraktionen dürften nicht auf Zeit spielen. „Zeit haben wir nicht.“ Snowdens Asyl in Russland laufe im August aus. Eine Befragung des Amerikaners in Deutschland müsse nun dringend vorbereitet werden. (dpa)

Lesen Sie hier auch den Kommentar von Christian Tretbar.

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