NSA-Untersuchungsausschuss: Binninger scheitert am Streit um Edward Snowden
Einleuchtend ist die Argumentation von Clemens Binninger nicht. Als Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses ist er auch an seiner Naivität gescheitert. Untersuchungsausschüsse sind wieder in der Werkzeugkiste der Opposition. Ein Kommentar.
Man muss es einfach so sagen: Zu glauben, dass eine völlig dezimierte Opposition in Zeiten einer übermächtigen großen Koalition in einem Untersuchungsausschuss einen Kuschelkurs mitgeht, ist naiv. Clemens Binninger, der als Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses eine Woche nach dessen Konstituierung zurückgetreten ist, hatte nach eigenem Bekunden diese Vorstellung. Parteiübergreifender Konsens im Angesicht der großen gesellschaftlichen Verantwortung – so funktionierte das im Untersuchungsausschuss zur Mordserie der NSU, aber nicht hier. Es funktionierte beim NSU, weil es eben keine große Koalition gab, weil die Kräfteverhältnisse etwas ausgeglichener waren, als sie es jetzt sind.
Der Untersuchungsausschuss als politisches Instrument ist erst mal wieder dorthin gekommen, wo er lange war: in die Werkzeugkiste der Opposition. Deshalb aber zurückzutreten, ist eine zu große Geste für einen vergleichsweise normalen Vorgang. Wirklich einleuchtend ist Binningers Argumentation auch nicht. Dass die Grünen, oder man muss wohl besser sagen, dass Hans-Christian Ströbele, den Ausschuss nutzen wird, um Edward Snowden nach Deutschland zu holen, war kein Geheimnis. Im Gegenteil, seit Monaten geht er damit hausieren.
Dass, was Binninger kritisiert war von Beginn an absehbar
Dass Binninger einen Spagat hinlegen musste zwischen dem geheim tagenden Kontrollgremium und dem Untersuchungsausschuss, der wenigstens den Anspruch haben sollte, Öffentlichkeit herzustellen, war auch absehbar. Binninger hätte aber die Vor- statt die Nachteile dieser Gratwanderung betonen können. Er kennt die Protagonisten bei den deutschen Diensten, hat gute Verbindungen und bringt Erfahrung mit. Deshalb war er richtig auf dem Chefposten.
Mit Binninger verliert der Ausschuss ein prominentes Gesicht. Menschlich mag seine Entscheidung, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende zu wählen, nachvollziehbar sein. Politisch hat er sich keinen Gefallen getan. Bei der ersten Schwierigkeit hinzuwerfen, hinterlässt keinen guten Eindruck. Auch für die Union schafft Binninger mit seinem Rückzug erst mal ein Vakuum in diesem Ausschuss, das der eher unerfahrene Patrick Sensburg nicht gleich wird füllen können. Echte politische Bewährungsproben kommen auch erst noch, wenn die Zeugen nicht Snowden, sondern Hans-Peter Friedrich, Ronald Pofalla oder Frank-Walter Steinmeier heißen.
Kurzfristig ist Binningers Rückzug ein Rückschlag für die Arbeit des Ausschusses, mittelfristig kann es aber sogar von Vorteil sein. Jetzt müssen sich alle klarmachen und akzeptieren, dass der Ausschuss auch Bühne ist. Vom Ziel, ihn auch als digitale Enquete zu betrachten, muss das nicht ablenken. Denn Snowden wird nur einen Teil der Aufklärungsarbeit ausmachen. Allerdings keinen unwichtigen. Es ist richtig, erst mal zu klären, unter welchen Umständen er kommen könnte – ihn selbst wird das am meisten interessieren –, und dann kann man ihn wie und wo auch immer befragen. Fertig. Statt die grüne Luft aus der Snowden-Blase zu lassen, hat Binninger noch mal kräftig reingepustet.
Der Beginn, das ist das Positive an der Personalie, stand unter keinem guten Stern. Anders ausgedrückt: Jetzt können alle nur noch gewinnen.
Christian Tretbar