Länderspiel Deutschland-England: Normalität in Zeiten des Terrors
Deutschland gegen England: Das Fußball-Länderspiel heute im Olympiastadion kann ein Symbol werden: Europa steht in Zeiten des Terrors zusammen und besinnt sich auf seine Werte.
Als ob das alles nicht schon aufgeladen genug ist: Deutschland gegen England, in Berlin, im Olympiastadion. Das ist Insel gegen Kontinent, Kein-Wembley-Tor gegen Wembley-Tor, Chris Waddle gegen den Turiner Nachthimmel 1990 und Lampard gegen Neuer 2010 und, und, und. Deutschland gegen England ist ein Klassiker, der von gepflegten Klischees und viel Fußball-Historie lebt. Diesmal ist das alles aber nur nettes Beiwerk.
Deutschland gegen England ist ein Spiel in einer Gegenwart, die vielen Angst bereitet. Das letzte Spiel der Nationalmannschaft mündete in eine Nacht des Terrors in Paris. Die gesamte Mannschaft musste im Stadion ausharren, die Zuschauer trauten sich nicht aus dem Stadion.
Wieder steht auch Deutschland unter dem Eindruck des Terrors
Ein paar Tage später wurde die Partie Deutschland gegen die Niederlande kurz vor dem Anpfiff abgesagt – wegen (mutmaßlich) akuter Terrorgefahr. Und jetzt steht Deutschland wieder unter dem Eindruck des Terrors, wieder vor einem Länderspiel. Der Fußball wehrt sich häufig gegen kulturelle und politische Überhöhung. Aber gerade die letzten Monate zeigen: Der Sport steht mitten drin im Streit zwischen Sicherheit und Freiheit.
Ist der Besuch am Samstag im Olympiastadion sicher? Niemand kann diese Frage hundertprozentig mit Ja beantworten. Sicherheit ist nicht nur eine Frage an die Behörden, sondern auch eine an sich selbst. Welches Risiko gehe ich ein und welches nicht. Diese individuelle Abwägung muss jeder treffen – und jede persönliche Entscheidung ist dabei zu respektieren. Dass das Spiel aber – nach jetzigem Stand – stattfindet, ist ein gutes Zeichen.
Das Spiel kann ein Fest der Freiheit werden. Berlin kann erneut zeigen, dass es keine Stadt ist, die der Angst nachgibt, auch keinem diffusen Unbehagen. Und das Olympiastadion, für die Engländer ohnehin immer noch vor allem ein Monument der Nazis, könnte ein Symbol der Normalität in Zeiten des Terrors werden.
Bei der EM in Frankreich drohen sogar Geisterspiele
In Paris standen sich in den Stunden der Anschläge mit Frankreich und Deutschland zwei Länder auf dem Spielfeld gegenüber, deren Völkerfreundschaft den Kern der europäischen Idee ausmacht – auch wenn Themen wie Griechenland oder die Flüchtlingskrise sie ziemlich ausgehöhlt haben. Dass jetzt die Engländer nach Berlin kommen, ist Zufall, aber es ist ein schöner Zufall. Die englische Mannschaft steht auch für Großbritannien insgesamt. Ein Land, das mit dem Gedanken spielt, die EU lieber zu verlassen, als sie zu stärken. Die gemeinsame Bedrohung durch den Terror führt den Briten vor Augen, dass sie Teil Europas sind. Das sollten sie auch bleiben, denn die Wertebasis ist die gleiche.
In Frankreich wird dieser gemeinsame Wertekanon im Sommer noch stärker zum Tragen kommen. Dort findet dann die Fußball-EM statt – und zwar ebenfalls überschattet von der Bedrohung durch den Terror. Wie selten zuvor dürfte der Fußball selbst erst mal in den Hintergrund einer Fußballveranstaltung rücken. Es wird für alle Beteiligte eine enorme, vor allem psychische Herausforderung werden. Vielleicht drohen sogar Geisterspiele. Wenngleich da der Grundsatz gelten sollte: ganz oder gar nicht. Wenn es eine konkrete Terrorgefahr gibt, ist das auch eine Gefahr für Spieler, Funktionäre und Betreuer. Dann sollte ein Spiel eben abgesagt werden. Wenn aber gespielt wird, sollte die Betonung bei der EM eine andere sein: weniger Meisterschaft, mehr Europa. Das Spiel am Samstag kann ein Anfang dafür sein.