zum Hauptinhalt
Unruhen in Diyarbakir: Kurdische Demonstranten und türkische Sicherheitskräfte liefern sich Straßenschlachten. Der Friedensprozess ist vorläufig gescheitert.
© AFP

Konflikt zwischen Türkei und PKK: Nordirakische Kurden bieten sich als Vermittler an

Die Auseinandersetzung zwischen der Türkei und den Kurden der PKK eskaliert. Die nordirakische Kurdenregierung KRG dringt auf Verhandlungen und will vermitteln. Sie hat gute Beziehungen zur Regierung in Ankara und fürchtet selbst den Einfluss der PKK.

Zwei Wochen nach Beginn der neuen Konfrontation zwischen dem türkischen Staat und den Kurden eskaliert die Gewalt in Ostanatolien immer weiter. In der Nacht zum Sonntag rammte ein Selbstmordattentäter der PKK-Kurdenrebellen in der Nähe des Berges Ararat einen mit zwei Tonnen Sprengstoff beladenen Traktor in ein Gebäude der paramilitärischen Gendarmerie und riss zwei Soldaten mit in den Tod. Am Tag zuvor hatte die türkische Luftwaffe bei einem Angriff auf ein Dorf im Nordirak nach kurdischen Angaben mehrere Zivilisten getötet. Angesichts der Gewalt wollen die nordirakischen Kurden zwischen Ankara und der PKK vermitteln.

Seit dem Beginn der Gewaltwelle sind nach türkischen Regierungsangaben mehrere Dutzend Zivilisten, rund 20 Soldaten und Polizisten sowie 260 PKK-Mitglieder ums Leben gekommen. Am 20. Juli sprengte sich ein Anhänger des „Islamischen Staates“ (IS) in der türkisch-syrischen Grenzstadt Suruc in die Luft und tötete 32 linke und kurdische Aktivisten. Die PKK wies dem türkischen Staat eine Mitverantwortung zu, erklärte den seit 2013 geltenden Waffenstillstand für beendet und begann mit Mordanschlägen auf türkische Sicherheitskräfte. Seit dem 24. Juli greift die türkische Luftwaffe den IS, aber vor allem auch PKK-Stellungen im Nordirak an.

Bei einem dieser Angriffe sollen die türkischen Kampfjets am Samstag im nordirakischen Zargala neun Zivilisten getötet haben, darunter waren auch Frauen und Kinder. In PKK-nahen Medien war von einem „Massaker“ die Rede. Zargala liegt in den nordirakischen Kandil-Bergen, wo die PKK ihr Hauptquartier hat. Die türkische Regierung erklärte, sie untersuche den Vorfall, betonte aber gleichzeitig, in Zergele hätten sich nur PKK-Mitglieder aufgehalten.

Die PKK setzte ihrerseits den neu begonnenen Guerillakrieg gegen die türkische Armee fort. Neben dem Anschlag am Ararat verübten die Rebellen einen Angriff auf einen Militärkonvoi in der Provinz Mardin; dabei wurde ein Soldat getötet. Ein baldiges Ende der türkischen Offensive ist nicht zu erwarten. Ziel der Luftangriffe sei es, die PKK zu „erledigen“, sagte ein Regierungsvertreter.

Gleichzeitig sieht sich die legale türkische Kurdenpartei HDP starkem politischen Druck ausgesetzt. HDP-Chef Selahattin Demirtas sagte, in der Umgebung von Präsident Recep Tayyip Erdogan werde ein Verbotsverfahren gegen seine Partei vorbereitet. Burhan Kuzu, der juristische Berater von Präsident Recep Tayyip Erdogan, wies Demirtas‘ Vorwurf zurück.

Erdogan hatte sich erst vor wenigen Tagen gegen ein Parteiverbotsverfahren gewandt und statt dessen die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Demirtas und anderen führenden HDP-Politikern verlangt. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Demirtas und seine Ko-Vorsitzende Figen Yüksekdag. Die türkische Justiz hatte in den vergangenen Jahrzehnten mehrere kurdische Parteien wegen ihrer Nähe zur PKK verboten.

Rufe nach Frieden werden lauter

Demirtas rief die türkische Armee und die PKK auf, die Kämpfe einzustellen. Auch eine Gruppe namhafter Intellektueller forderte ein Ende der Gewalt und eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. Angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen dem türkischen Staat und den Kurden meldete sich der Präsident der nordirakischen Kurdenregierung, Masud Barzani, mit Kritik an beiden Seiten zu Wort.

Barzanis nordirakische Kurdenregierung (KRG) hat gute Beziehungen zu Ankara; bereits vor einigen Jahren hatten die nordirakischen Kurden zwischen der Türkei und der PKK vermittelt. Barzanis Neffe Narcivan Barzani, erklärte vor einigen Tagen, er sei zur Vermittlung zwischen der Türkei und der PKK bereit. Es ist aber unklar, ob die Konfliktparteien darauf eingehen wollen.

Die KRG und die PKK, die seit Jahrzehnten Stützpunkte im Nordirak unterhält, sind Rivalen im Kampf um die Führungsrolle bei den Kurden. Barzani sieht die PKK als Bedrohung für die KRG. Erst vor kurzem kritisierte die PKK das Regierungssystem Barzanis als „Diktatur“, worauf dieser die PKK-Mitglieder als „Feinde der Nation“ bezeichnete.

Im Januar hatte die PKK in der Gegend um die zum KRG-Gebiet gehörende Stadt Sinjar einen eigenen „Kanton“ ausgerufen, was von Barzanis Regierung als illegal zurückgewiesen wurde. Zudem beobachtet die KRG die Autonomiebestrebungen der mit der PKK verbündeten Kurden in Syrien mit Misstrauen.

Dennoch geht Barzanis Regierung einer direkten militärischen Konfrontation mit der kampferprobten und gut ausgerüsteten PKK aus dem Weg. Statt dessen dringt Barzani auf eine Friedenslösung zwischen Ankara und der PKK, um auf diese Weise einen Abzug der PKK aus seinem Gebiet zu ermöglichen.

Die ölreiche Region unterhält florierende Handelsbeziehungen zur Türkei: Der nördliche Nachbar bietet den irakischen Kurden die Möglichkeit, ihr Öl ohne Mitsprache der irakischen Zentralregierung an die Weltmärkte zu liefern. Dank der starken türkischen Exporte ins irakische Kurdengebiet ist der Irak der zweitwichtigste Ausfuhrmarkt für Ankara nach Deutschland.

Zur Startseite