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Afrikanische Flüchtlinge versuchen, einen Sperrzaun der spanischen Exklave Melilla zu überwinden - während auf dem Rasen Golf gespielt wird. Das Bild veröffentlichte eine lokale Flüchtlingshilfsorganisation.
© AFP

Treffen im Kanzleramt: Noch keine Entscheidung über Kosten für Flüchtlinge

Angesichts steigender Flüchtlingszahlen suchen Bund und Länder nach langfristigen Lösungen. Es geht ums Geld und die Unterbringung. Wer finanziert das und was könnte sich ändern?

Ein erstes Gespräch, aber noch keine Beschlüsse – das Treffen der Staatskanzleichefs im Bundeskanzleramt zur Flüchtlingsfrage ist am Donnerstag vorerst ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Am 11. Dezember sollen die Ministerpräsidenten konkreter werden.

Worüber wurde gesprochen?

Nach Angaben von Peter Altmaier, dem Chef des Kanzleramts, ging es ihm und seinen Kollegen über Möglichkeiten, Gebäude des Bundes, zum Beispiel der Bundeswehr und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Themen waren auch die EU-Verteilung von Antragstellern und die Abschiebung von solchen, die keinen Anspruch auf Schutz erhalten. Über dies wie über eine andere Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern sollen nun Arbeitsgruppen beraten.

Weshalb gibt es solche Schwierigkeiten?

Seit den 1990er Jahren gelangten immer weniger Flüchtlinge nach Deutschland, nachdem der Asylkompromiss zwischen Union und SPD den Weg dafür freigemacht hatte, den Asylartikel im Grundgesetz deutlich einzuschränken. Seit etwa 2008 aber steigen die Zahlen wieder spürbar an. In den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der Asylanträge hierzulande mehr als verdoppelt. Krieg und der Zerfall ihrer Staaten machen es vor allem Menschen aus Nahost und Afrika immer schwerer, dort zu bleiben – obwohl Europas Abschottungspolitik ihren Weg gefährlich macht und viele ihn nicht überleben.
Nachdem in den Jahren zuvor Unterbringungsmöglichkeiten, Hilfen und Verwaltung abgebaut wurden, müssen sie jetzt erst mühsam wieder aufgebaut werden. Das gilt für den Bund, der dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im laufenden Haushaltsjahr mit 300 neuen Stellen helfen musste – weitere sind versprochen –, aber auch für die Länder und Kommunen. Die akute Überlastung des Bundesamts, das über alle Anträge entscheiden muss, verlängert die Verfahren und damit auch die Kosten der Unterbringung in den Ländern.

Wer bezahlt für die Aufnahme?

Für die Unterbringung von Flüchtlingen und alles, was zu ihrer Existenzsicherung nötig ist, sind während des Asylverfahrens Länder und Kommunen zuständig. Wie viele Menschen ein Bundesland aufnimmt, wird mithilfe eines Verteilungsschlüssels („Königsteiner Schlüssel“) errechnet. Die zentrale Erstaufnahme ist auch finanziell Sache des Landes, danach sind Städte und Landkreise zuständig, in denen die Asylbewerber wohnen. Die Länder helfen dabei mit Pauschalbeträgen, die allerdings von Land zu Land sehr unterschiedlich hoch sind.

Welche Kosten entstehen? Im Rahmen einer Übersicht für die EU bezifferte das Bundesamt die Landesüberweisungen an die Kommunen pro Asylbewerber und Jahr: In Rheinland-Pfalz zahlte 2013 das Land knapp 6000 Euro – schoss allerdings bei Krankheitskosten zu –, in Baden-Württemberg mehr als das Doppelte. Der Anteil der Kommunen an den tatsächlichen Kosten liege zwischen 15 und 30 Prozent. Die Zahl der Menschen, die per Asylbewerberleistungsgesetz unterstützt werden, steigt seit 2010 kontinuierlich, zwischen 2012 und 2013 allein um mehr als ein Drittel. Am schnellsten kletterten die Zahlen afghanischer und syrischer Asylsuchender.

Kosten Asylbewerber wirklich viel?

Die Kosten sind eher niedrig angesetzt, was Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen regelmäßig kritisieren. Die Versorgung für Flüchtlinge liegt, obwohl das Bundesverfassungsgericht zuletzt einen höheren Satz erzwungen hat, nach wie vor unter dem Sozialhilfeniveau. Und die Gesundheitsversorgung für sie ist überaus karg und soll nur der akuten Versorgung dienen. Das ist nicht zuletzt deshalb heikel, weil viele von ihnen nach monatelanger Flucht in schlechtem gesundheitlichen Zustand sind. Etliche sind durch das, was sie erlebt haben, schwer traumatisiert und hätten psychotherapeutische Hilfe nötig.

Welche Vorschläge gibt es?

Als die Innenminister von Bund und Ländern sich letzte Woche trafen, war mit Blick auf das Treffen der Staatskanzleichefs am Donnerstag vor allem vom Geld die Rede. Länder und Kommunen wollten mehr davon vom Bund. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius brachte konkret die ärztliche Versorgung von Flüchtlingen ins Gespräch, die der Bund über die gesetzliche Krankenversicherung übernehmen solle. Die Rede war von einem Betrag „im oberen zweistelligen Millionenbereich“.

Was sagen nichtstaatliche Akteure?

Flüchtlingsorganisationen und Wohlfahrtsverbände haben schon im Vorfeld kritisiert, dass sie nicht gefragt wurden und vor allem Geld eine Rolle spielen sollte. Länder und Kommunen hätten zwar ein „legitimes Interesse“, ihre Kosten Richtung Bundesebene umzuverteilen. Man dürfe aber jetzt nicht bei schnellen billigen Lösungen stehen bleiben. Der Präsident der katholischen Caritas, Prälat Peter Neher, sagte dem Tagesspiegel, es sei „sehr zu begrüßen, dass sich die politisch Verantwortlichen jetzt an einen Tisch setzen“. Dass „die im Thema hochengagierten zivilgesellschaftlichen Akteure“ im nächsten Schritt beteiligt würden, sei aber „zwingend erforderlich“.

Wie lassen sich Engpässe in Zukunft vermeiden?

Vermutlich durch weniger Abbau als in den 1990er Jahren. Innenminister Thomas de Maizière sagte kürzlich, Deutschland müsse sich langfristig auf mehr Flüchtlinge einstellen. Auch der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, empfahl im Gespräch mit dem Tagesspiegel, die Strukturen, die jetzt neu entstünden, auf Dauer zu erhalten.

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