Ärger bei der Caritas: Niedriglöhne in der Kirche
Der katholische Sozialverband will für einfachste Arbeit wenig zahlen. Bereits seit Monaten gibt es darüber Streit. Betroffen sind vor allem Frauen.
Die katholischen Bischöfe warnen vor drohender Altersarmut. Gleichzeitig fürchten Mitarbeiter der Caritas, dass auch sie im Alter mit ihrer Rente nicht auskommen werden. Denn das Sozialunternehmen will eine neue unterste Lohngruppe einführen, die nur knapp über dem Mindestlohn liegt. Die „neue Vergütungsregelung für einfachste Hilfstätigkeiten“ sieht einen Stundenlohn von neun Euro vor.
Es geht um einfache Arbeiten in Krankenhausküchen und Kleiderkammern, um Begleitgänge zum Arzt, Hausaufgabenbetreuung oder Besuchsdienste in Seniorenzentren. Schätzungsweise zehn Prozent der 500 000 Caritas-Mitarbeiter sind in diesen Bereichen tätig. Oft sind es Frauen, oft allein erziehende Mütter. „Wir akzeptieren keine Leichtlohngruppe bei der Caritas“, sagt Mitarbeitervertreter Thomas Schwendele. Zumal die Gefahr groß sei, dass immer mehr Mitarbeiter dieser Gruppe zugeordnet werden könnten, da die Definition „einfachste Hilfstätigkeit“ schwammig sei.
Sozialverband lehnt Mindestbetrag für untere Löhne ab
Seit Monaten ringen Dienstgeber und Dienstnehmer - so die offiziellen Bezeichnungen in der Caritas - erbittert um einen Kompromiss. Die neue Niedriglohngruppe ist nur einer von mehreren Streitpunkten. Vergangene Woche sind die Verhandlungen erneut gescheitert. „Die Stimmung ist am Tiefpunkt“, sagt Schwendele. Die Fronten sind verhärtet.
Das ist ungewöhnlich. Denn im Prinzip sind sich beide Seiten einig, dass die Pflege alter Menschen ihren Preis hat und Mitarbeiter besonders in der Kirche anständig bezahlt werden sollten. Während für die evangelische Diakonie Auseinandersetzungen um Löhne keine Seltenheit sind, schafften es die Katholiken bisher immer noch, sich in den paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommissionen (AK) auf relativ gute Gehälter zu einigen, verglichen mit dem, was private Anbieter zahlen. Die Mitarbeitervertreter der Caritas fürchten, dass es damit vorbei sein könnte – zumindest was die unteren Lohngruppen angeht.
Die Tarife der Caritas orientieren sich seit Jahrzehnten an denen im öffentlichen Dienst. Dort hatten sich Arbeitgeber und die Gewerkschaft Verdi im März auf eine Gehaltserhöhung von drei Prozent und in den unteren Lohngruppen um mindestens 90 Euro geeinigt. Die Caritas-Dienstgeber sind bereit, die drei Prozent Gehaltserhöhung für die Fachkräfte zu übernehmen. Sie lehnen aber den Mindestbetrag von 90 Euro für die unteren Lohngruppen ab. Durch ein Plus von 90 Euro würde sich der finanzielle Abstand zwischen den ungelernten Arbeitskräften und den ausgebildeten Fachkräften zu sehr verringern, sagt Rainer Brockhoff, der in der AK die Dienstgeber vertritt. Dann aber wäre es für Mitarbeiter nicht mehr attraktiv, eine Ausbildung zu machen.
Scharfer Wettbewerb in der Altenpflege
Dieses Argument klingt in den Ohren der Mitarbeitervertreter zynisch. Sie weisen darauf hin, dass sich die Mitarbeiter bei der Caritas als „christliche Dienstgemeinschaft“ verstehen und deshalb auch alle Mitarbeiter gleichermaßen von Gehaltssteigerungen profitieren müssten. Sie fürchten eine grundsätzliche Abkehr von der Orientierung an den Tarifen des öffentlichen Dienstes und eine Aufspreizung der unteren Lohngruppen. Die Forderung der Dienstgeber, eine neue unterste Lohngruppe einzuführen, bestätigte jetzt alle Befürchtungen.
Durch die Einführung von Kostenpauschalen und Marktmechanismen hat sich der Wettbewerb besonders im Bereich der Altenpflege enorm verschärft. Denn die staatlich refinanzierten Pflegesätze sind niedrig, besonders im Norden und Osten Deutschlands. Bei den Pflege-Fachkräften lasse sich nicht sparen, rechnen die Dienstgeber vor, denn Fachkräfte sind Mangelware und entsprechend begehrt. Der Wettbewerb werde im Niedriglohnbereich ausgetragen. Ein Drittel bis die Hälfte der Pflege-Einrichtungen gehören mittlerweile zu privaten Trägern, bei den meisten gelten keine Tarifverträge.
Die kirchlichen Heime seien die einzigen, die sich noch an der Tarifstruktur des öffentlichen Dienstes orientieren, sagt Caritas-Dienstgebervertreter Rainer Brockhoff. Auch die Wohlfahrtsverbände seien davon abgewichen. „Umso wichtiger ist es, dass die Caritas die Standards hochhält“, sagt Mitarbeitervertreter Thomas Schwendele. Die Caritas sei der wichtigste Arbeitgeber in diesem Bereich und habe „exemplarische Verantwortung“. "Wir sind schon jetzt teurer als andere, da darf man den Bogen nicht überspannen", hält Brockhoff dagegen. Werden die Einrichtungen noch teurer, würden die Leute ihre Oma eben woanders unterbringen und die Caritas-Häuser wären in ihrer Existenz bedroht.
Noch einmal bis zu 50 Prozent Mehrarbeit fürs Personal
Doch was wird aus der christlichen Dienstgemeinschaft, wenn der Wettbewerb auf dem Rücken der Geringverdiener ausgetragen wird? „Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren“, sagt Thomas Schwendele. Noch seien alle Mitarbeiter solidarisch. In Norddeutschland, Baden-Württemberg und Bayern wollen die Mitarbeiter in den kommenden Wochen protestieren. Streiken ist im kirchlichen Arbeitsrecht nicht vorgesehen.
„Wir stehen vor einem riesigen Finanzierungsproblem“, sagt Rainer Brockhoff. „Das wird von den Politikern nicht ernsthaft genug angegangen". Der Kostendruck und der Wettbewerb unter den Einrichtungen, möglichst billig sein zu wollen, hätten zu einer unglaublichen Arbeitsverdichtung geführt. Experten gingen davon aus, dass sich die Arbeit in den Pflegeheimen bis 2030 um weitere 30 bis 50 Prozent verdichten müsse. „Das ist kaum zu leisten“, sagt Brockhoff – und ist sich da mit den Mitarbeitern einig. Im aktuellen Tarifkonflikt haben Caritas-Dienstgeber und Dienstnehmer den Vermittlungsausschuss der Arbeitsrechtlichen Kommission eingeschaltet. Er soll bis Oktober einen ersten Kompromissvorschlag vorlegen.
Claudia Keller
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