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Altenpflege: Evangelisches Werk will katholische Heime

Das Spandauer Johannesstift möchte Caritas-Häuser in Hannover übernehmen. Ein Streitpunkt ist die Bezahlung der Mitarbeiter - denn das Johannesstift will Löhne senken.

Das evangelische Johannesstift Spandau will fünf finanziell angeschlagene Altenpflegeheime der Caritas in Hannover übernehmen. Die Verhandlungen sollen bis August abgeschlossen sein. Strittig ist die Bezahlung der 580 Beschäftigten. Denn der Sanierungsplan des Johannesstifts sieht Gehaltseinbußen um 13 Prozent vor, was nach eigenen Angaben schätzungsweise 300 Euro brutto ausmachen würde.

„Die Kürzung ist notwendig, um die drohende Insolvenz abzuwenden“, sagte Wilfried Wesemann, Geschäftsführer der Johannesstift Altenhilfe GmbH. Die Mitarbeiter würden dann nicht mehr nach dem Caritas-Tarifvertrag Niedersachsen bezahlt, sondern nach dem im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz seit 2008 geltenden Tarifvertrag. Dieser ermöglicht die Absenkung der Gehälter im Falle einer wirtschaftlichen Notlage. Dazu kommt, dass der Tarifvertrag des hiesigen Diakonischen Werkes sowieso schon unterhalb des Bundesdurchschnitts liegt. Damit es zur Übernahme kommt, müssen alle Mitarbeiter der Änderung ihrer Verträge zustimmen.

Es wäre bundesweit das erste Mal, dass ein evangelischer Sozialträger katholische Einrichtungen übernimmt. „In Krisenzeiten ist es notwendig, über Konfessionsgrenzen hinweg Kräfte zu bündeln“, sagte der Sprecher des Johannesstifts. So sieht es auch die Caritas. „Es besteht eine sehr gute Perspektive, dass mit dem neuen Träger die katholische Gestalt der Altenpflegezentren nicht einfach durch eine evangelische ersetzt wird, sondern dass die schon jetzt vorhandenen guten Erfahrungen der ökumenischen Zusammenarbeit in den Heimen weiterentwickelt werden“, sagte Propst Martin Tenge, Vorstandsvorsitzender der Caritas Hannover. Um die katholische Identität zu wahren, soll die Caritas zudem mit zehn Prozent an den Heimen beteiligt bleiben.

Die fünf Caritas-Heime mit 530 Bewohnern und 250 ambulanten Patienten hatten im vergangenen Jahr ein Defizit von 1,8 Millionen Euro eingefahren, weil die Ausgaben nicht mehr durch die Pflegesätze abgedeckt werden konnten. Ein Grund für das Defizit sind laut Caritas die im Vergleich zu privaten Anbietern hohen Löhne sowie die extrem niedrigen Pflegesätze in Niedersachsen, die bis zu 20 Prozent unter dem bundesweit von den Krankenkassen gezahlten Schnitt liegen würden. Nach Angaben der Mitarbeitervertretungen in den Diakonischen Werken Niedersachsen verdient eine Altenpflegerin bei der Caritas zurzeit rund 35 000 Euro brutto im Jahr. Die Personalkosten machen 80 Prozent der Kosten in der Altenpflege aus.

Wenn die Mitarbeiter bereit sind, auf einen Teil des Gehalts zu verzichten, will das Johannesstift im Gegenzug drei Jahre lang betriebsbedingte Kündigungen ausschließen, sagte Johannesstift-Sprecher Tobias Kley. Zudem sollen 8,3 Millionen Euro in die Sanierung der Caritas-Heime investiert werden. „Wir bedauern, dass der Caritasverband nicht mehr in der Lage ist, den Betrieb der Heime weiterzuführen“, sagte Propst Tenge von der Caritas. Die Verhandlungen mit dem Johannesstift seien „eine letzte Chance“ zur Abwendung der Insolvenz. Das sehen Mitarbeitervertreter anders und werfen der Caritas vor, sich nicht ausreichend um Alternativen bemüht zu haben. Er kenne aber viele Mitarbeiter, sagt Propst Tenge, die der Übernahme zustimmen würden.

Das 1858 gegründete Johannesstift, eine Stiftung bürgerlichen Rechts, ist in der Alten-, Jugend- und Behindertenhilfe tätig und hat 2000 Mitarbeiter, 1600 am Hauptsitz in Spandau. Die Stiftung hatte 2008 einen Jahresumsatz von 126 Millionen Euro und unterhält auch Häuser in Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. 

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