46 Prozent weniger innerhalb einer Woche: Niederlande erleben plötzlichen Rückgang der Neuinfektionen
Die Niederlande gelten als Hochinzidenzgebiet. Nun fällt die Kennzahl von fast 400 auf 215 - in einer Woche. Ähnlich wie zuvor in Großbritannien.
Die Niederlande haben einen starken Rückgang bei Corona-Neuinfektionen registriert. In den vergangenen sieben Tagen wurden in den Niederlanden mehr als 37.000 neue Corona-Infektionen festgestellt, etwa 46 Prozent weniger als in der Vorwoche, wie das zuständige Institut für Gesundheit und Umwelt RIVM am Dienstag mitteilte.
Die Sieben-Tage-Inzidenz lag demnach bei 215 Fällen pro 100.000 Einwohnern, in der Vorwoche bei fast 400. Zum Vergleich: In Deutschland liegt dieser Wert aktuell bei 15, wie Tagesspiegel-Daten zeigen.
Zuletzt war ein solch starker Fall der Inzidenzkurve wie in den Niederlanden in Großbritannien zu beobachten gewesen. Sowohl das Vereinigte Königreich als auch die Niederlande waren vom Robert Koch-Institut als Hochinzidenzgebiet eingestuft worden.
Nach dem Wochenbericht des RIVM stiegen aber die Patientenzahlen in Krankenhäusern stark an. Zuletzt sind 538 Menschen in Krankenhäuser eingewiesen worden. Das sind 266 Aufnahmen mehr als eine Woche zuvor.
Davon mussten 115 intensivmedizinisch versorgt werden - 82 mehr als eine Woche zuvor. Besonders betroffen sind die Altersgruppen der 40- bis 59-Jährigen und der 60- bis 79-Jährigen. Die Zahl der Toten stieg von 14 in der Vorwoche auf 21.
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Wie das niederländische Nachrichtenmagazin „Hart van Nederland“ berichtet, geht der niederländische Premierminister Mark Rutte aber davon aus, dass der Druck auf die Krankenhäuser in der nächsten Woche nicht weiter steigt. Denn die Zahl der positiven Corona-Tests ist seit vergangener Woche rückläufig.
Ernst Kuipers, Vorsitzender des Nationalen Akutversorgungsnetzwerks (LNAZ), hatte zuvor jedoch die Erwartung geäußert, dass die Gesamtzahl der aufgenommenen Corona-Patienten auf etwa 800 steigen wird.
Zahl der Corona-Neuinfektionen explodierte Anfang Juli
Nachdem die Regierung in Den Haag fast alle Corona-Maßnahmen Ende Juni aufgehoben hatte, war die Zahl der Neuinfektionen Anfang Juli explosionsartig gestiegen, die Inzidenz erreichte einen Spitzenwert von mehr als 415. Die Regierung zog darauf die Notbremse und ließ Diskotheken und Bars schließen. Auch Festivals und Partys wurden wieder verboten. Diese Maßnahmen sollen vorerst bis zum 13. August gelten.
Zuletzt verzeichnete das Vereinigte Königreich einen ähnlichen Knick in der Inzidenzkurve, wie er jetzt in den Niederlanden zu beobachten ist. Nach einem rapiden Anstieg, der sich von Ende Mai bis fast Ende Juli erstreckte, sieht es bei den Briten seit Tagen nach einer Entspannung der Lage aus.
Zugleich ist in Großbritannien die Zahl der Corona-Toten auf den höchsten Tageswert seit mehr als vier Monaten gestiegen. Am Dienstag meldeten die Behörden den Tod von 131 Menschen. Das waren so viele wie seit dem 17. März nicht. Damals starben 141 Menschen innerhalb von vier Wochen nach einer Corona-Infektion. In den vergangenen sieben Tagen gab es landesweit 480 Corona-Tote, 40 Prozent mehr als in der Vorwoche.
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„Dies liegt unter anderem an der hohen Fallzahl, die in den vergangenen Wochen registriert wurde“, sagte die medizinische Direktorin der Gesundheitsbehörde Public Health England, Yvonne Doyle. „Wir wissen, dass Todesfälle folgen, wenn es eine hohe Anzahl von Neuinfektionen gibt, und die Daten von heute zeigen, dass wir uns immer noch in der dritten Welle befinden.“
Experten sind unsicher, worauf Rückgang zurückzuführen ist
Allerdings gibt es Anlass für vorsichtigen Optimismus. Am Dienstag sank die Zahl der Neuinfektionen den siebten Tag in Folge. Knapp 230.000 Neuinfektionen in einer Woche bedeuten ein Minus von gut 30 Prozent im Vergleich zur Vorwoche.
Lag die Inzidenz am 21. Juli noch bei 502, so war der Wert vier Tage später auf 403 gesunken. Das zeigen Tagesspiegel-Zahlen. Zwischen dem 20. und 26. Juli hatten insgesamt 252.875 Personen ein positives Testergebnis. Das ist ein Rückgang um 21,5 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Das geht aus Daten der britischen Regierung hervor.
Experten sind allerdings unsicher, worauf der Rückgang zurückzuführen ist. Als mögliche Gründe gelten der Beginn der Schulferien, die hohe Zahl von Schülern in Selbstisolation in den Wochen vor den Ferien und das Ende der Fußball-Europameisterschaft, als viele Menschen gemeinsam in Pubs die Spiele schauten.
Allerdings gibt es auch die Befürchtung, dass sich weniger Menschen auf das Coronavirus testen lassen, um ihre Sommerferien nicht zu riskieren, und dass es eine hohe Dunkelziffer Infizierter gibt.
Ähnlich wie in Großbritannien könnte nun auch das Absacken der Kurve in den Niederlanden solche Ursachen haben. In der vergangenen Woche wurden mehr als 259.000 Personen in den Niederlanden getestet. Laut dem Institut für Gesundheit und Umwelt sind das 38 Prozent weniger als in der Woche zuvor. Die Zahl der gemeldeten Personen mit einem positiven Coronatest ist in der vergangenen Woche im Vergleich zur Vorwoche zudem um 46 Prozent gesunken, so das RIVM.
Das heißt: Je weniger getestet wird, desto weniger positive Fälle können registriert werden. Und die Inzidenz-Kurve geht nach unten.
Und auch in den Niederlanden sind derzeit Sommerferien. Verreiste können sich deshalb nicht vor Ort testen lassen. Ein Anstieg der Kurve nach der Rückkehr der Urlauber:innen kann also auch hier nicht ausgeschlossen werden.
Aber auch das Wetter, das sich die vergangenen Tage um die 20 Grad Celsius in den Niederlanden bewegte, könnte ein Faktor sein. Viele Menschen bevorzugten Aktivitäten im Freien. Und dort ist die Ansteckungsgefahr deutlich geringer als in Innenräumen.
Zudem sind in den Niederlanden (Stand 27. Juli) über 20 Millionen Impfungen verabreicht worden. Das geht aus den Daten der niederländischen Regierung hervor. Mehr als 12,2 Millionen der rund 18 Millionen Niederländer:innen haben ihre Erstimpfung erhalten (rund 70 Prozent). Vollständig geimpft sind knapp 50 Prozent der Bevölkerung.
Im Vergleich: In Deutschland sind über 41 Millionen Menschen vollständig geimpft. Das macht einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von fast 50 Prozent aus. Rund 51 Millionen Deutsche, etwa 61 Prozent, haben mindestens eine Impfung erhalten. (mit dpa)