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Nicolas Sarkozy bei einer Veranstaltung der UMP.
© dpa
Update

Ermittlungsverfahren eingeleitet: Nicolas Sarkozy schreibt Geschichte - anders als geplant

Frankreichs früherer Staatspräsident Nicolas Sarkozy wollte eigentlich in die Politik zurück. Stattdessen ist gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eröffnet worden - historisch ziemlich einmalig.

Das hat es in den Annalen der französischen Justiz noch nicht gegeben: ein ehemaliger Staatspräsident im Polizeigewahrsam. Am Dienstagmorgen war Nicolas Sarkozy einer Vorladung der Pariser Kripo gefolgt und hatte sich in einer schwarzen Limousine von seiner Wohnung im 16. Arrondissement zum Dezernat für die Bekämpfung von Korruption und Steuerbetrug im Vorort Nanterre chauffieren lassen, wo er sofort zur Vernehmung in Polizeigewahrsam genommen wurde. Seit Montag befanden sich dort bereits Thierry Herzog, der Anwalt des Ex-Präsidenten, sowie Gilbert Azibert und Patrick Sassoust, zwei Generalanwälte beim höchsten Gericht Frankreichs, dem Kassationshof, zum Verhör – ebenfalls in Polizeigewahrsam. Sie werden von der Justiz der Einflussnahme und der Verletzung des richterlichen Untersuchungsgeheimnisses verdächtigt.

Nach einem ganztägigen Polizeiverhör am Dienstag hat der Ermittlungsrichter in der Nacht auf Mittwoch nun ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Sarkozy wegen Korruption, Bruch amtlicher Geheimnisse und Einflussnahme auf die Justiz eröffnet. Gegen einen Ex-Präsidenten ein ziemlich historischer Vorgang Das bedeutet, dass sich der Untersuchungsrichter seiner Sache offenbar sicher ist: Um ein förmliches Ermittlungsverfahren in Frankreich einleiten zu können, müssen belastbare Hinweise auf die Verwicklung des Verdächtigen in eine Straftat vorliegen. Sarkozy bestreitet alle Vorwürfe. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahren Haft. Im Zuge des im Februar eröffneten Ermittlungsverfahrens hatten zwei Pariser Untersuchungsrichterinnen zuvor schon die Wohnungen und die Büros von Sarkozys Anwalt Herzog und von einem der beiden Generalanwälte durchsuchen lassen.

Untersuchung zu möglichen Finanzhilfen von Gaddafi

Ausgangspunkt der Affäre, die Sarkozys Pläne für eine Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2017 zunichte machen könnte, sind Untersuchungen zu möglichen Finanzhilfen des früheren libyschen Diktators Muammar al Gaddafi für Sarkozys Wahlkampf 2007. Im Zuge dieser bisher ergebnislos verlaufenen Untersuchungen hatte die Justiz 2013 die Überwachung der Telefone des Ex-Präsidenten sowie einiger seiner Vertrauten angeordnet. Dabei stießen die Ermittler auf die Existenz eines zweiten Telefons, dessen Zulassung Sarkozy auf Anraten seines Anwalts unter dem Namen Paul Bismuth beantragt hatte und das er für „heikle“ Gespräche benutzte.

Die Überwachung dieses Geräts brachte den Ermittlern zwar keine neuen Erkenntnisse in der Libyen-Frage, dafür aber Überraschungen im Zusammenhang mit der Affäre um illegale Wahlkampfspenden der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt. Ein Verfahren wegen des Verdachts der persönlichen Verstrickung Sarkozys in diese Affäre war im Oktober 2013 aus Mangel an Beweisen eingestellt worden. Doch die Justiz behielt die offiziellen und privaten Terminkalender des Ex-Präsidenten weiter ein. Beim Auswerten der Telefonprotokolle stellten die Ermittler fest, wie gut Sarkozy und sein Anwalt damals über den Fortgang der Prozedur beim Kassationshof im Bild waren. Die Informationen bezog Sarkozys Anwalt Herzog vermutlich von Generalanwalt Azibert. Als Gegenleistung soll Sarkozy sich erboten haben, sich für die Berufung des am Ende seiner Karriere stehenden Azibert auf einen hohen Posten im Fürstentum Monaco einzusetzen. Über die Rolle, die der andere Generalanwalt gespielt haben soll, ist nichts bekannt.

UMP will sich neue Führung geben

Das Vorgehen der Justiz gegen Sarkozy hat eine kontrovers und polemisch geführte Debatte ausgelöst. Frühere Präsidenten sind nach dem Ende ihrer Amtszeit wie andere Bürger vor dem Gesetz gleich. Darauf verwies Stéphan Le Foll, der Sprecher der sozialistischen Regierung. Christian Estrosi, ein führender Vertreter der konservativen Partei UMP, sagte, noch nie sei ein ehemaliger Präsident Ziel einer „solchen Welle des Hasses“ gewesen. Sarkozy selbst hatte im Frühjahr, als die Überwachung seiner Telefone durch die Justiz bekannt geworden war, von einer „Instrumentalisierung“ der Justiz durch die Politik gesprochen und der Polizei „Stasi-Methoden“ vorgeworfen.

Die Weiterentwicklung dieser Affäre kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem Sarkozy von seinen Anhängern immer mehr gedrängt wird, seine politische Abstinenz aufzugeben und wieder das Ruder seiner verwaisten Partei UMP zu übernehmen. Nachdem deren Generalsekretär Jean-François Copé wegen Fälschungen bei der Finanzierung das Präsidentenwahlkampfs 2012 von seinem Amt zurücktreten musste, will sich die Partei im Herbst eine neue Führung geben.

Sarkozy hat sich seine Entscheidung über eine neue politische Führungsrolle bis Ende August vorbehalten. Ob es dazu kommt, hängt aber auch von einer Reihe ungeklärter Affären ab. Einige sind mit Namen von ehemaligen Mitarbeitern aus seiner Amtszeit verbunden. Nun kommt die neue Affäre wegen Einflussnahme und Verletzung des Untersuchungsgeheimnisses hinzu. Und noch eine weitere könnte sein politisches Comeback bedrohen. Denn noch ist offen, ob Sarkozy von den unsauberen Machenschaften bei der Finanzierung seines Wahlkampfs gar nichts wusste, derentwegen die Justiz jetzt gegen die ehemalige Führung seiner Partei ermittelt.

(mit Reuters)

Hans-Hagen Bremer

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