zum Hauptinhalt
Ein israelischer Soldat hält eine israelische Flagge in einem Grenzgebiet.
© dpa

Amnestys Israel-Bericht: Nicht seriös, sondern politischer Aktivismus

Amnesty International behauptet, Israels Palästinenserpolitik sei gleichbedeutend mit Apartheid. Das ist Unsinn. Ein Kommentar.

Vorweg ein paar Selbstverständlichkeiten, die leider nötig sind: Ja, an Israels Politik gegenüber den Palästinensern lässt sich vieles kritisieren. Nein, nicht alles, was Israels Regierung beschließt und seine Armee ausführt, lässt sich mit Sicherheitsbedenken begründen. Und natürlich ist nicht jede Kritik an Israel antisemitisch. Doch der Vorwurf, Israels Palästinenserpolitik sei gleichbedeutend mit Apartheid, ist Unsinn. Dass er nun auch von der einst respektablen Organisation Amnesty International geäußert wird, macht ihn keinen Deut glaubwürdiger. Er lässt einzig Amnesty schlecht aussehen.

Es beginnt damit, dass der Bericht, der den Vorwurf begründen soll, Fehler, Ungenauigkeiten und grobe Übertreibungen enthält, die einer Organisation von der Größe und Reichweite Amnestys nicht passieren dürfen. So heißt es, Israel habe seit seiner Gründung gezielt darauf hingearbeitet, Palästinenser in den besetzten Gebieten und innerhalb Israels „verarmt und ökonomisch benachteiligt“ zu halten sowie ihren Zugang zu „grundlegender“ Gesundheitsversorgung zu beschränken.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Zweifellos leben viele Palästinenser in Gaza und dem Westjordanland in beklagenswerten Bedingungen, und der Konflikt zwischen beiden Völkern trägt dazu bei. Palästinensische Araber innerhalb Israels jedoch genießen denselben Zugang zu medizinischer Versorgung wie ihre jüdischen Mitbürger. Und während sich manche Ungleichheit mit Diskriminierung erklären lässt, gibt es viele staatlich finanzierte Initiativen, um arabische Bürger in den boomenden High-Tech-Sektor zu integrieren. Es ließen sich etliche weitere Beispiele nennen, die alle dieselbe Feststellung stützen: Die Lage ist komplex, es gibt viel zu verbessern. Doch mit Apartheid hat sie nichts zu tun.

Die moralischen Dilemmata, die den Konflikt prägen, kommen im Bericht nicht vor

Bedauerlicherweise hat Amnesty die Schwarz-Weiß-Zeichnung mancher pro-palästinensischer Aktivisten übernommen. Ein scheinbar übermächtiges Israel ist in dieser Welt an jedem Übel Schuld, das den Palästinensern widerfährt, die selbst keinerlei Verantwortung zu tragen scheinen. Die Komplexität, die Nuancen, die moralischen Dilemmata, die diesen Konflikt prägen, kommen darin nicht vor. So sieht kein neutraler Bericht einer seriösen Organisation aus, sondern politischer Aktivismus.

Israel wirft Amnesty nun Antisemitismus vor, ebenso wie Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der Bericht könnte den Judenhass in Europa weiter schüren, warnt Schuster. Der Einwand ist emotional verständlich, aber logisch und taktisch zweifelhaft. Wäre Israel so furchtbar, wie Amnesty behauptet, müsste es den Report veröffentlichen, ohne Rücksicht auf Konsequenzen. Zudem wiegt der Antisemitismusvorwurf so schwer, dass er mit Maß und Bedacht eingesetzt werden sollte. Gewiss riecht es verdächtig, dass Amnesty härtere Worte für Israel findet als für so manchen Schurkenstaat. Doch in diesem Fall ist der Vorwurf schlicht unnötig. Die Mängel des Reports allein wiegen schwer genug, um die Glaubwürdigkeit seiner Verfasser zu untergraben.

Mareike Enghusen

Zur Startseite