zum Hauptinhalt
Fast fertig kaufen und mühelos ist etwas zu Essen da: Die Deutschen mögen Fertiggerichte.
© dpa

Ernährungsreport 2017: Nicht schon wieder nach der Schule rufen!

Die Deutschen essen gern und oft Fertiggerichte - und wollen zugleich, dass gute Ernährung Schulfach wird. Ein Widerspruch? Eher Ausdruck wachsender Eigenverantwortungslosigkeit. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Während Küchen in der jüngsten Zeit teures Wohnaccessoire und Distinktionsmittel wurden, ging zugleich ihre Bedeutung verloren: Die Menschen in Deutschland kochen immer seltener. Das ergab der neue Ernährungsreport des Agrarministeriums, demzufolge Herd und Ofen vor allem genutzt werden, um Fertiggerichte zu erhitzen. Dieser Zugang zur Mahlzeit entfremdet den Menschen vollkommen vom Ursprung seiner Nahrung. Außerdem haben Fertiggerichte eine schlechte Energiebilanz und produzieren Müllberge.
Als ahnten die zur Report-Erstellung Befragten das Angreifbare ihrer Antworten selbst, wünschten sich neun von zehn mehr Bildung in Sachen Ernährung, am besten sollte es ein entsprechendes Schulfach geben. Das liegt zunächst nahe. Aber man kann das genauso gut die weitere Fortsetzung einer in die falsche Richtung führenden Versorgungsmentalität nennen. Erst gab man aus Bequemlichkeit oder sonst welchen Motiven das Kochen auf und griff in die Gefriertruhe, und dann gibt man die ernährungsbezogene Eigenverantwortung auf – und ruft stattdessen nach der Schule. Also nach einer Art Staatsorgan, das bitte schön bis in die Küche hinein vorsagen soll, was richtig ist.

Der Ruf nach Schule klingt wie eine Entschuldigung

Will das wirklich irgendjemand? Oder ist gar nicht die Absicht, die hinter der Forderung steht. Sondern der bereits umgekehrte Gedanke: Da es ja in der Schule nie jemanden gab, der einem gesagt hat, wie man kocht, also Bohnen und Kartoffeln kauft, putzt und kocht, eine Pfanne auf den Herd stellt oder runternimmt, hat man quasi keine andere Wahl, als sich mit Tiefkühl- und Fertiggerichten zu versorgen. So kann man Verantwortung für sein Tun natürlich sehr einfach delegieren. Aber richtig ist das nicht.
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) will den Ruf nach dem Ernährungsschulfach jetzt aber aufgreifen. Weit wird er damit vermutlich nicht kommen. Vielleicht wäre er auch besser beraten, wenn er sich den Teil des Reports mehr zu Herzen nehmen würde, in denen es den Fleischliebhabern aus den deutschen Haushalten um die Haltung der Tiere ging, die sie gern nach hohen ökologischen und ethischen Standards organisiert sähen. Das ist anders als Bildung sein Beritt, und da wäre viel zu tun. Bisher ist aus seinem Ressort aber häufig zu hören, dass Verabredungen mit Tiermästern und Fleischfabrikanten auf Basis von Freiwilligkeit getroffen werden. Statt sie mit Vorschriften zu mehr Tiergerechtigkeit zu zwingen. So delegiert am Ende also auch er bloß die Verantwortung für eine Verbesserung der Zustände an der Nahrungsfront.

Zur Startseite