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Asylbewerber stehen in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAE) in Zirndorf (Bayern) am Eingang zur Kantine.
© dpa

Asyl und Einwanderung: Nicht jedem, der in Not ist, können wir Zuflucht geben

Die politische Antwort auf die steigende Flüchtlingszahl muss etwas Herzloses enthalten. Andererseits: Es wird kein Deutschland mehr geben, das kein Einwanderungsland ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Das Dumme an dem, was sich hierzulande „Flüchtlingsdebatte“ nennt, ist der Umstand, dass sie sich für eins am allerwenigstens interessiert: für Flüchtlinge. Der CSU-Chef schielt mit dem Spruch von „rigorosen“ Maßnahmen genau so auf seine Wählerschaft wie seine Kritiker auf die je ihren, Länderfürsten schielen aufs Geld des Bundes, alle zusammen suchen Schuldige, auf die sie Probleme und Missstände schieben können. Gutmenschen wie Schlechtredner treibt der gleiche kleinliche Gedanke: Wie stehe ich selbst gut da?

Das macht die Suche nach Lösungen schwierig. Dabei ist die schwierig genug. Das sichere Europa und das reiche Deutschland sind Traum- und Überlebensziele in einer brutalen Welt. Die Menschen, die sich zu Zehntausenden auf den Weg machen, folgen oft im grausamen Wortsinn dem alten Stadtmusikanten-Motto: Etwas Besseres als den Tod finden wir überall. Bevor die Taliban den Halbwüchsigen in ihren Krieg zwingen, kratzt die Familie ihr Geld zusammen und schickt den Jungen fort.

Das Problem der Flüchtlinge ist, dass sie so viele sind – zu viele, als dass selbst das reiche Deutschland nur dem menschlichen Impuls folgen kann. Das Problem der Deutschen ist, dass sie sich nie klar gemacht haben, wie viele und welche Menschen sie denn glauben integrieren zu können. Zum Glück ist neben die traditionelle Abwehrkultur heute sehr viel Willkommensbereitschaft getreten. Aber das Engagement der Einzelnen erleichtert nur die politische Antwort, es kann sie nicht ersetzen. Diese Antwort muss, ob man das mag oder nicht, etwas Herzloses enthalten. Nicht jedem, der in Not ist, können wir Zuflucht geben. Also muss unterschieden werden zwischen mehr oder weniger Not, mehr oder weniger Anspruch.

Dafür gibt es Kriterien. Eins steht im Grundgesetz: „Politisch Verfolgte genießen Asyl.“ Nicht politisch Verfolgte genießen also keins. Deshalb ist trotz krachlederner Sprüche der bayerische Weg richtig, über aussichtslose Anträge schnell zu entscheiden und Abgelehnte rasch zurückzuschicken.

Der Weg wäre noch richtiger, würden die gleichen Verantwortlichen ebenso energisch die Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpfen. Auf dem Balkan muss das kein wohlfeiler Spruch bleiben. Wir haben Druckmittel auf Staaten, die in die EU wollen, aber aktiv weggucken, wenn ihre Roma- Bürger schikaniert werden.

Der syrische Arzt ist die Ausnahme

Dies löst nicht das Flüchtlingsproblem, es entspannt es nur. Es muss weitere Kriterien geben, humanitäre wie kalt eigennützige: Können wir diesen konkreten Menschen brauchen in einer alternden Gesellschaft, der bestimmte Arbeitskräfte absehbar ausgehen? Sollten wir viele, die heute vergeblich „Asyl“ rufen, nicht zur Einwanderung geradezu ermuntern?

Dafür braucht es aber einen Wandel unserer Perspektive. Flüchtlinge sind keine neuen „Gastarbeiter“; sie bleiben. Schulen, Berufsbildung, Stadt- und Finanzplanung müssen mit ihnen rechnen. Unsere Sicht auf uns selbst muss es auch. Es wird kein Deutschland mehr geben, das kein Einwanderungsland ist. Das bringt harte Konflikte ins Land. Der syrische Arzt ist die Ausnahme, die übrigen die Herausforderung. Aber eine Gesellschaft, die diese Aufgabe anständig bewältigt, kann mit Anstand anderen sagen: Ihr müsst, tut uns leid, euer Glück anderswo versuchen.

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