"Stark im Amt": Neues Angebot für bedrohte Kommunalpolitiker:innen
Ein Fünftel der Bürgermeister:innen hat aus Angst um die eigene Sicherheit schon über einen Rücktritt nachgedacht. Eine neue Website soll helfen.
Es war ein Galgen, den jemand auf einen Container gemalt hatte. Darüber stand geschrieben: „Jung verrecke“. Burkhard Jung ist Oberbürgermeister von Leipzig und Präsident des Deutschen Städtetages. Bedrohungen und Übergriffe auf Kommunalpolitiker:innen wie ihn sind kein Einzelfall, sondern eher die Regel. Der Mord an Walter Lübcke und die Messerattacke auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sind nur die traurigsten Tiefpunkte.
Um Kommunalpolitiker zu unterstützen, eröffnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag das Internetportal „Stark im Amt“, für das er die Schirmherrschaft übernimmt. Er sagte: „Gegenwehr ist leider bitter nötig. Die registrierten Angriffe auf Amts- und Mandatsträger insgesamt haben sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt.“ Stark im Amt ist eine Initiative der Körber-Stiftung und der kommunalen Spitzenverbände.
Die Botschaft: Ihr seid nicht allein.
Auf der Website finden bedrohte Kommunalpolitiker:innen Informationen, Hilfsangebote und Austausch mit anderen Betroffenen. Hass im Netz ist sogar ein eigenes Kapitel. Die Botschaft: Ihr seid nicht allein. Ihr werdet unterstützt. Dass das notwendig ist, beweist eine Umfrage, die im Vorfeld von der Körber-Stiftung und dem Meinungsforschungsinstitut forsa mit 1641 Bürgermeister:innen durchgeführt wurde.
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57 Prozent, also mindestens jede zweite Bürgermeisterin oder jeder zweite Bürgermeister war schon einmal Anfeindungen oder Übergriffen ausgesetzt. 81 Prozent gaben an, der Umgang würde immer rücksichtsloser werden und ein Fünftel der Bürgermeister:innen hat aus Sorge um die eigene Sicherheit oder die der Familie schon über einen Rückzug aus der Politik nachgedacht.
Bedrohung hat seit 2015 zugenommen
Nach der Freischaltung des Portals sagten sowohl Burkhard Jung als auch der Präsident des Deutschen Landkreistages Reinhard Sager und der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Ralph Spiegler, dass sich der Ton seit 2015, dem Jahr, in dem besonders viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, verändert habe. Seitdem hätte die Bedrohung nicht nur für Bürgermeister:innen, sondern auch deren Mitarbeiter:innen und Ehrenamtler zugenommen.
Im Unterschied zur Bundespolitik ist die Kommunalpolitik viel näher an den Bürger:innen. „Der Transport von der digitalen Gewalt zur realen Gewalt ist bei uns sehr kurz“, sagt Ralph Spiegler. Die digitale Gewalt schwappe schneller in die Realität über. Kolleg:innen würden deshalb zurücktreten, nicht mehr kandidieren oder zu bestimmten Themen schweigen.
Hasskommentare nach Feierabend löschen
Anna-Lena von Hodenberg, Gründerin der Organisation Hateaid, stützt diese Aussage. In den Kommunen hätten Politiker:innen, die zuvor im Netz bedroht wurden, auch schnell unangenehmen Besuch vor der Haustür oder der Schule der Kinder.
Außerdem hätten die Kommunalpolitiker:innen nicht so viele Mitarbeiter:innen wie Bundestagsabgeordnete und seien deshalb oft auf sich allein gestellt. Bedrohende Mails würden nicht vorgefiltert werden, Hasskommentare in den sozialen Netzwerken müssten die Betroffenen oft selbst nach Feierabend noch löschen oder als Beweise für Gerichtsverhandlungen sichern.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte dazu: „Die Risiken für unsere Demokratie beginnen nicht erst bei justiziablen Vorfällen“. Vielmehr begännen sie schon in den kleinen Momenten, die in keine Kriminalitätsstatistik eingehen, aber die politische Atmosphäre eines Ortes prägen.
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