Antisemitismus-Debatte: Neuer Vorwurf gegen eine Linken-Bundestagsabgeordnete
Die Debatte um Antisemitismus in der Linken erreicht eine weitere Bundestagsabgeordnete. Fotos im Internet zeigen Annette Groth aus Baden-Württemberg mit palästinensischem Schal auf der Bühne.
Neuer Vorwurf gegen eine Linken-Bundestagsabgeordnete: Annette Groth aus Baden-Württemberg hat schon im Mai 2010 im Berliner Tempodrom eine Konferenz von Palästinensern in Deutschland besucht, auf der Propaganda für die radikalislamistische Hamas gemacht wurde. So wie ihre Fraktionskollegin Inge Höger ein Jahr später bei der Nachfolgekonferenz in Wuppertal ließ sich Groth nach Angaben von Teilnehmern einen Schal mit einer Karte der Nahostregion umlegen – ohne die Grenzen Israels.
Der Ärger um Höger hatte die Debatte um Antisemitismus in der Linken befördert. Und mit dazu geführt, dass sich die Bundestagsfraktion klipp und klar festlegte, dass sich die Abgeordneten und auch ihre Mitarbeiter einem Verhaltenskodex unterwerfen: Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahostkonflikt, die eine Ein-Staaten-Lösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte noch an der diesjährigen Fahrt einer ,Gaza-Flottille’ beteiligen.“
Fotos im Internet zeigen Groth mit palästinensischem Schal auf der Bühne. Sie selbst wollte sich dazu auf Anfrage des Tagesspiegels nicht äußern. Sie werde „zu dieser Konferenz, die mehr als ein Jahr her ist, keine Stellungnahme abgeben“, ließ sie über ihren Mitarbeiter Uwe Hiksch mitteilen. Interviews wolle seine Chefin „zu wichtigen Themen“ geben, ergänzte Hiksch. Höger hatte zu ihrem Auftritt in Wuppertal erklärt: „Auf der Bühne wurde allen Gästen ein palästinensischer Schal umgelegt.“ Sie hätte es „als unhöflich empfunden, in dieser Situation das Tragen dieses Schals abzulehnen“.
Auf der Konferenz im Tempodrom hielt Groth nach Darstellung von Teilnehmern eine relativ moderate Rede, andere schlugen deutlich radikalere Töne an. Nach dem im Internet veröffentlichten Text sprach sie von einer Doppelverantwortung der Linken: „Menschenrechte müssen von allen Seiten eingehalten werden, von der israelischen Regierung wie von Hamas und anderen Gruppen“, sagte sie. Sie forderte auf der einen Seite ein Ende des Boykotts der Hamas, die Öffnung der Grenzen zum Gazastreifen und die Aufhebung der über 650 Checkpoints, setzte sich aber auch für die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Schalit ein. Den meisten Beifall bekam sie Teilnehmern zufolge für ihre Ankündigung auf das Schiff der Flotte „Free Gaza“ zu steigen – neben ihrer Fraktionskollegin Höger und dem früheren Bundestagsabgeordneten Norman Paech gehörte sie schließlich im vergangenen Jahr zu den deutschen Teilnehmern. Nach ihrer Rückkehr wurden sie damals in Berlin von Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch mit Blumen begrüßt.
Auf der Konferenz im Tempodrom waren Vertreter aller palästinensischen Strömungen vertreten, Anhänger von Hamas und von Fatah genauso wie die Parteigänger der kleineren politischen Gruppierungen. Die Radiojournalistin Bettina Marx berichtete damals für die Deutsche Welle, die Sympathien des Publikums hätten auf Seiten der Hamas gelegen. Marx machte das fest an der Rede von Sheikh Raed Salah, Führer des radikalen nördlichen Zweigs der islamistischen Bewegung in Israel. „Denn als er den abgesetzten palästinensischen Ministerpräsidenten Ismail Haniyeh von der Hamas erwähnt, brandet tosender Beifall auf.“ Ein Teilnehmer der Konferenz berichtete dem Tagesspiegel, in Sprechchören sei auf Arabisch der „Tod Israels“ gefordert worden.
Sicher ist, dass Groth in der Fraktion zu denen gehört, die die Bedenken gegen die Gaza-Flottille trotz eindeutigem Fraktionsbeschluss nicht teilen. Am vergangenen Wochenende war sie in Athen, traf laut „Neuem Deutschland“ Besatzungsmitglieder und Passagiere des Schiffs „Audacity of Hope“ und protestierte mit gegen die Inhaftierung von dessen US-Kapitän. Die hessische Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz schrieb an die Aktivisten der Gaza-Flottille: „Auch wenn ich aus persönlichen Gründen selbst nicht teilnehmen kann, unterstütze ich Euer Anliegen aus vollem Herzen.“
Linken-Fraktionsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann sagte, womöglich habe sich die Linke im vergangenen Jahr zu wenig damit beschäftigt, wer hinter der Gaza-Flottille stecke und wie sie finanziert werde. Sie selbst habe „erhebliche Vorbehalte“ gegen die Aktion. Allerdings sage der Fraktionsbeschluss nur, dass es keine Teilnahme von Abgeordneten an der Flottille geben dürfe. „Und der ist eingehalten.“