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Außenminister Heiko Maas (SPD) machte sich Anfang Juni selbst ein Bild von der Lage an der Kontaktlinie.
© Xander Heinl/imago/photothek

Krieg in der Ukraine: Neuer Anlauf für den Friedensprozess

In Berlin beraten am Montag die Außenminister Deutschlands, Russlands, der Ukraine und Frankreichs nach langer Pause wieder über Wege zum Frieden im Donbass.

Daria Kasemirowa hatte keine Chance. Die 15-Jährige war gerade im Hof ihres Hauses in der ostukrainischen Kleinstadt Salisne, als in nur drei Metern Entfernung ein Artilleriegeschoss explodierte. Sie sei sofort an den Schrapnell-Wunden gestorben, erklärten die Ärzte im Krankenhaus von Torezk später den Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).  Das Gebiet um Salisne wird von ukrainischen Regierungstruppen kontrolliert, der Angriff auf die Stadt vor zwei Wochen ging also von den Separatisten und ihren russischen Unterstützern aus.

Nach Angaben der OSZE-Beobachter starben allein im Mai elf Zivilisten in der Ostukraine, 32 wurden verletzt. Die Sicherheitslage habe sich im vergangenen Monat verschlechtert, sagte der stellvertretende Leiter der Mission, Alexander Hug, am Freitag. Er geht davon aus, dass die tatsächliche Zahl der zivilen Opfer noch höher liegt. An diesem Montag beraten in Berlin erstmals seit 16 Monaten wieder die Außenminister Russlands, der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs über Wege zum Frieden im Donbass.

Mehr als 10.000 Tote

Seit vier Jahren ist bereits Krieg in der Ostukraine, mehr als 10.000 Menschen wurden getötet. Doch Geschichten wie die von Daria Kasemirowa erreichen die europäische Öffentlichkeit kaum. Eigentlich dürfte es schon seit Jahren keine Kämpfe mehr geben. Zuletzt im Februar 2015 wurde unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs eine Vereinbarung ausgehandelt, deren erster und wichtigster Punkt ein Waffenstillstand ist. Doch bis heute wird dieser nicht eingehalten. Die OSZE-Beobachter registrieren deshalb Tag für Tag „Waffenstillstandsverletzungen“ – und meinen eigentlich Kampfhandlungen. In der vergangenen Woche waren es 5300, im gesamten Monat Mai zählten die Beobachter insgesamt 28.000 Verletzungen des Waffenstillstands.

Auch der Abzug der schweren Waffen, ein weiterer zentraler Punkt aus den Minsker Vereinbarungen, kommt nicht voran. Hug berichtete am Freitag, seine Beobachter hätten immer wieder auch Waffen registriert, „die unter keinen Umständen in Wohngebieten eingesetzt werden sollten“. Entlang der Kontaktlinie zwischen dem von der Regierung kontrollierten Gebiet und der Region, in der Separatisten und Russen das Sagen haben, sind nach Angaben der OSZE-Beobachter sogar neue Minen gelegt worden.

Zudem könnten bald ganze Städte in der Ostukraine ohne Trinkwasser sein. Derzeit ist eine Wasseraufbereitungsanlage in Donezk besonders stark umkämpft, von der nach OSZE-Angaben rund 300.000 Menschen versorgt werden.

Minister werden wohl auch über Oleg Senzow reden

Das Treffen der vier Außenminister in Berlin soll in erster Linie neue Impulse für den festgefahrenen Friedensprozess geben. Ein Durchbruch wird allerdings nicht erwartet. Bestenfalls könnten sich Moskau und Kiew unter deutsch-französischer Vermittlung auf einige kleine Schritte einigen: So würde beispielsweise eine Schutzzone für die Reparatur der Filtrierstation in Donezk die Wasserversorgung in der Region sichern. Neue Übergänge an der Kontaktlinie würden den Alltag der vom Krieg am stärksten betroffenen Menschen etwas erleichtern.

Auf der Tagesordnung wird wohl auch die Frage eines neuen Gefangenenaustauschs stehen, ein Thema, das der ukrainischen Seite sehr wichtig ist und bei dem die russische Seite Vorbehalte hat. Denn es geht dabei auch um den Fall des 2014 auf der Krim festgenommenen ukrainischen Regisseurs Oleg Senzow, dem russische Behörden „Terrorismus“ vorwerfen und der deshalb zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Senzow ist seit vier Wochen im Hungerstreik.

Erstmals wollen die Außenminister auch über eine mögliche UN-Friedenstruppe für den Donbass reden. Allerdings gehen die Vorstellungen über ein Mandat für diese Truppe weit auseinander: Die Ukraine wünscht sich einen Einsatz im gesamten von Separatisten und Russen kontrollierten Gebiet und insbesondere an der Grenze zu Russland, die derzeit nicht unter der Kontrolle der ukrainischen Regierung steht. Genau das lehnt Moskau aber ab. Der russische Vorschlag sieht eine Mission zum Schutz der OSZE-Beobachter und einen Einsatz entlang der Kontaktlinie vor. Letzteres jedoch, so warnen westliche Diplomaten, hätte eine stärkere Abgrenzung der Separatistengebiete zur Folge. Eine Einigung bei diesem Thema ist nicht in Sicht.

Während sich Diplomaten aus den beteiligten vier Staaten in der vergangenen Woche auf das so genannte Normandie-Treffen in Berlin vorbereiteten, waren von Russlands Präsident Wladimir Putin scharfe Töne zu hören. In seiner Fragestunde im Fernsehen drohte er der Ukraine für den Fall, dass während der Fußball-WM der Konflikt im Donbass eskaliert. Dies werde „schwere Folgen für die ganze ukrainische Staatlichkeit“ haben.  

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