Eklat auf dem Parteitag der Alternative für Deutschland: Neuer AfD-Chefin Frauke Petry entgleitet die Regie
Nach der Wahl von Frauke Petry zur neuen Parteichefin kommt es am zweiten Tag des AfD-Parteitages zu chaotischen Szenen. Bernd Lucke wird beschimpft, er missbrauche die Bühne zu seinem eigenen Nutzen. Ein Parteiaustritt sei wahrscheinlich, so Lucke.
Plötzlich, die Stellvertreterwahlen bei der AfD sind in vollem Gange, bildet sich eine Menschentraube hinten rechts in der Essener Grugahalle. 20, 30 Menschen stehen auf einmal um Bernd Lucke herum. Der wurde am Samstag krachend von seiner Partei abgewählt. Das Gerücht macht die Runde, dass er jetzt, hier in der Halle, seinen Austritt erklären will. Wild gestikulierende AfD-Mitglieder wollen ihn davon abhalten. Bleiben Sie bei uns, sagt ein Mitglied. Das ist nur ein Reinigungsprozess, sagt ein anderer. Ein Dritter meint: „Wir müssen uns alles von den Amerikanern sagen lassen.“ Lucke: „Sehen Sie, das sehe ich eben nicht so. Es ist dieses Schwarz-Weiß-Denken, das ich nicht teile.“
Dann eilt Alexander Gauland hinzu, will wissen, was los ist. Der wurde gerade mit mehr als 80 Prozent zum Stellvertreter von Frauke Petry gewählt. Er geht auf Lucke zu. „Das halte ich für keine gute Entscheidung“, sagt Gauland mit tiefer Stimme. „Können wir nicht noch einmal darüber reden, Herr Lucke?“ Der: „Herr Gauland, das hätten wir in der Tat vorher machen können. Jetzt ist es dafür zu spät.“ Es ist nie zu spät, ruft ein Mitglied dazwischen. „Der Damm ist gebrochen“, sagt Lucke und schüttelt den Kopf. „Ich wäre doch auch nicht ausgetreten, wenn Sie gewonnen hätten“, erwidert Gauland. Lucke: „Vielleicht wäre mir das ganz lieb gewesen“. Gauland lacht: „Ich wäre aber nicht ausgetreten.“
Gerüchte, dass er schon ausgetreten sei, seien falsch, sagt Lucke dann. Er wolle sich im Lauf der Woche mit Vertrauten beraten, wie es weitergehen soll. Es gibt Gerüchte über die Gründung einer neuen Partei. Ein Parteiaustritt sei aber „wahrscheinlich“, sagt Lucke: „Ich will ja gerade keinen Schnellschuss machen. Ich stimme nicht destruktiv. Aber ich wähle hier die Leute, die jetzt 6 oder 7 Prozent bekommen. Das sagt doch alles.“
Inzwischen stehe die AfD für ganz andere Themen als die, für die er die Partei aufgebaut habe. Ein Mitglied ruft dazwischen: Aber wir haben doch schon damals über Einwanderung diskutiert. Lucke sagt, es sei ja richtig, dass Deutschland die Einwanderung zu wenig regle. „Wir haben ein intransparentes Zuwanderungsgesetz, wir steuern das schlecht. Aber jetzt will die AfD ganze Kulturen steuern.“
Plötzlich wird es unruhig im Saal, weil immer mehr Menschen um Lucke herumstehen. Einer schreit ihn an: „Lucke raus, sie haben hier nichts mehr zu suchen.“ Ordner versuchen ihn zu beruhigen.
Dann tritt Gauland ans Mikrofon, er scheint zu verstehen, dass dieser Tag nicht gut läuft für Frauke Petry und ihn. Der Rechtsrutsch in der AfD ist in vollem Gange, wahrscheinlich aber geht er zumindest ihm zu weit. Den beiden droht die Kontrolle zu entgleiten. Kandidaten, die sich vorstellen, sprechen von „Inländerfeindlichkeit“ und dem „Ausverkauf deutscher Interessen“, ein anderer nennt die Grünen eine „pädophile Faschistengruppe“.
Frauke Petry eilt dann zum Mikrofon auf dem Podium, sagt dann auch noch was: „Lieber Bernd, ich finde es in Ordnung, dass Du dich äußern willst. Aber ich finde es nicht in Ordnung, dass dadurch der Fortgang der Versammlung gestört wird.“ Unten schimpft Konrad Adam, bis Samstag Teil des AfD-Führungstrios, dass Lucke den Parteitag als Bühne missbrauche. Das mache er absichtlich. Das stimmt zwar nicht – Lucke wurde einfach von Journalisten angesprochen, aber das ist jetzt vielleicht auch egal.
In der Menschentraube wurde Lucke gefragt, ob er das Problem der Neuen Rechten in der Partei unterschätzt habe. Der sagt nur: "Ja."