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Alexis Tsipras (l.) und der Präsident Zyperns, Nikos Anastasiadis.
© dpa

Alexis Tsipras auf Tour in Europa: Neue Töne aus Griechenland

Athen rüstet bereits rhetorisch ab – spätestens bis zum Sommer 2015 muss eine Einigung her. Einen Euro-Austritt sieht der griechische Premier Alexis Tsipras als Gefahr für Europa - auf Hilfe aus Russland setzt Tsipras derzeit nicht.

Die neue Tonlage ist in Brüssel wohl registriert worden. Am Tag nach dem De-facto-Rauswurf der Troika durch den neuen Finanzminister Gianis Varoufakis rief Premier Alexis Tsipras am Samstag den EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker an und nannte ihn einen „Freund Griechenlands“, wie es aus dessen Umfeld hieß. Schließlich habe sich der frühere Luxemburger Ministerpräsident für Griechenlands Verbleib in der Währungsunion eingesetzt und selbst schon die Troika von Kommission, Europäischer Zentralbank und Weltwährungsfonds öffentlich infrage gestellt. Die beiden vereinbarten, wie die EU-Kommission am Sonntag bestätigte, für Mittwoch ein Treffen in Brüssel.

Die Charmeoffensive traf auch andere. „Um nach den als Eklat dargestellten Ereignissen vom Freitag die Wogen zu glätten“, wie es in EU-Kreisen hieß, habe Tsipras mit Parlamentspräsident Martin Schulz sowie Zentralbankchef Mario Draghi telefoniert. Juncker sprach demnach anschließend lange mit Kanzlerin Angela Merkel. Kurz danach veröffentlichte Tsipras eine Erklärung. „Keine Seite sucht den Konflikt“, hieß es darin, Ziel sei „eine für beide Seiten vorteilhafte Einigung“. Der am Freitag in Athen düpierte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem begrüßte das gegenüber „Bloomberg News“: „Nun ist es an der griechischen Regierung, ihre Position hinsichtlich des weiteren Vorgehens zu klären.“

Auch nach der turbulenten ersten Woche der neuen Athener Regierung mit harten verbalen Attacken wird in Brüssel weiter mit einer Verhandlungslösung gerechnet. Die scheinbar unvereinbaren Positionen müssten das Land nicht zwangsläufig aus dem Euroraum treiben. „Der neue Finanzminister hatte bei den Gesprächen noch keine Visitenkarten und auch noch keine Vorstellung darüber, wie schlecht es finanziell um sein Land bestellt ist“, berichtet ein EU-Diplomat über Dijsselbloems Gespräch am Freitag, „in zehn Tagen wird das anders aussehen.“

Die vergangenen Tage haben Spuren hinterlassen

Trotzdem haben die harschen Töne der letzten Tage Spuren hinterlassen. Eine politische Einigung bis zum Monatsende, wenn das zweite Hilfsprogramm ausläuft, gilt nun erst recht als utopisch. Ein ranghoher Vertreter der Eurogruppe glaubt inzwischen aber auch nicht mehr daran, dass die neue Regierung eine Verlängerung beantragen wird, womit zuerst gerechnet worden war: „Das wäre zwar klug, aber ich rechne nun nicht mehr damit.“ Schließlich würde dies ein Wiedersehen mit den verhassten Finanzkontrolleuren bedeuten. „Das haben die Griechen wirklich klargemacht, dass eine Rückkehr der Troika für sie inakzeptabel ist“, hieß es in EU-Kreisen.

Ohne eine Einigung würden Athen nicht nur die 1,8 Milliarden Euro aus der letzten Hilfsrate fehlen, sondern auch eine für den Bankensektor vorgesehene Notreserve von zehn Milliarden Euro. Ohne überwachtes Programm darf die Europäische Zentralbank von den griechischen Banken auch nicht länger griechische Staatsanleihen als Sicherheit akzeptieren. In Brüssel wird daran erinnert, dass die Frankfurter Drohung, die Notfallversorgung einzustellen, bereits Zypern zum Einlenken gebracht habe.

In EU-Kreisen wurde am Sonntag bestätigt, dass die Brüsseler Kommission vor Tsipras' Besuch mehrere Optionen durchspielt, wie die griechische Zahlungsunfähigkeit auch ohne offizielles Hilfsprogramm für eine gewisse Zeit verhindert werden kann. Kurzlaufende Anleihen etwa, sogenannte T-Bills, könnten zumindest einen Teil der laufenden Kosten decken. „Spätestens im Juli ist aber Sense“, sagte ein Diplomat mit Blick auf zwei griechische Staatsanleihen mit einem Volumen von insgesamt 3,5 Milliarden Euro, die die Regierung zurückzahlen muss. „Wir haben Zeit bis zum Sommer, um eine Lösung zu finden“, sagt ein EU-Vertreter.

Aus EU-Kreisen heißt es, dass die Griechen demnächst mit führenden Politikern direkt verhandeln sollen. Tsipras im Gespräch mit Juncker, Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde statt mit einer gesichtslosen Expertentruppe – diese Art von Augenhöhe soll Tsipras das Einlenken erleichtern.

Ohnehin wird in Brüssel die Zusammensetzung der Troika seit längerem kritisiert. Viele fordern ein Ausscheiden des IWF. In der Bundesregierung dagegen werden solche Forderungen sehr kritisch gesehen, gilt der IWF doch Berlin als Garant dafür, dass sich Griechenland im Gegenzug für Hilfe auch reformiert.

Keine Kredite aus Russland

Am Montag erklärte Tsipras nach einem Treffen mit dem zyprischen Staatspräsidenten Nikos Anastasiades in Nikosia, dass er die Stabilität des Südosten Europas in Gefahr sehe, wenn Griechenland oder Zypern sich vom Euro verabschieden würden. Ein Austritt Griechenlands oder Zyperns aus der Eurozone wäre ein schwerer Schlag für Europa und würde die Stabilität im östlichen Mittelmeer gefährden. Griechenlands „einziges und ausschließliches Ziel“ sei, die Verhandlungen mit seinen Partnern in der EU erfolgreich abzuschließen, versicherte Tsipras.

„Die Eurozone ohne Zypern und Griechenland würde eine Amputation des Südostens Europas bedeuten“, sagte Tsipras. Die beiden EU-Staaten seien ein Stabilitätsfaktor im östlichen Mittelmeer trotz der aktuellen Finanzprobleme. „Jetzt wie nie zuvor“ brauche die Südostflanke Europas Stabilität, meinte Tsipras in Anspielung auf die schweren Krisen im östlichen Mittelmeer. Wenn man sich nur auf die Ökonomen stütze, laufe man Gefahr „Europa in eine Katastrophe zu führen“. Europa müsse „mutige Entscheidungen treffen und zu einer Wachstums-Agenda zurückkehren“, forderte Tsipras.

Auf Hilfe aus Russland setzt Tsipras nach eigenen Worten derzeit nicht. Auf die Frage, ob Griechenland einen Kredit aus Russland erwarte oder einen beantragen würde, sagte Tsipras: „Es gibt im Moment keinen solchen Gedanken.“ Was die Krise in der Ukraine betrifft, seien sowohl Zypern als auch Griechenland bereit, für den Frieden zu vermitteln, erklärte Tsipras.

Athen und Nikosia wollten ihre guten Beziehungen zu Moskau nutzen, „damit eine notwendige Brücke zwischen Europa und Russland geschlagen wird“, fügte Tsipras hinzu. Die Wandlung des Krieges in der Ostukraine in einen Wirtschaftskrieg werde „kein positives Ergebnis für die Völker Europas haben“.

Die Bundesregierung Deutschland hält an der Troika zur Kontrolle der Hilfsprogramme für angeschlagene Euroländer fest. Es gebe „keinen Anlass, von diesem bewährten Mechanismus abzuweichen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Montag in Berlin. Es seien auch keine Anhaltspunkte bekannt, die EU-Kommission könne davon Abstand nehmen. Das Finanzministerium betonte, Kontrollen wie von der Troika aus Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds seien etwa im Vertrag zum Schutzschirm ESM verankert. Dies sei nicht einseitig zu ändern, erläuterte eine Sprecherin. (mit dpa)

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