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Auf einer Anti-Corona-Demo in Stuttgart hält eine Demonstrantin ein Plakat mit der Aufschrift "(Bill) Gates noch" hoch.
© imago images/Ralph Peters
Update

Streit um Mitgliederbeteiligung: Neue Partei „Widerstand 2020“ demontiert sich selbst

Laut eigenen Angaben hatte die Partei bereits 100.000 Mitstreiter. Nun hat sich die Führung überworfen. Auch die Mitgliederzahlen sind vermutlich gefälscht.

Die erst kürzlich gegründete Protestpartei „Widerstand 2020“ scheint sich bereits wieder zu verabschieden. Nachdem ihre Mitgründerin Victoria Hamm bereits am 8. Mai das Handtuch geworfen hatte, tritt nun auch ihre Nachfolgerin Sandra Wesolek von ihrem Amt zurück. Bodo Schiffmann, Mitgründer und Vize-Vorsitzender hat die Partei sogar ganz verlassen, wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) am Freitag meldete.

Hintergrund des Rücktritts sollen interne Streitigkeiten um eine Software gewesen sein, die den Mitgliedern eine rege Beteiligung am Parteigeschehen ermöglichen sollte - für Schiffman wohl zu viel des Guten. „Schwarmintelligenz funktioniert - aber nicht bei so einem Thema“, sagte er in einem YouTube-Video, welches über seinen Kanal veröffentlicht wurde.

Schiffmann war bereits zuvor mit seiner Aussage, man könne ganz Afrika in einem deutschen Bundesland unterbringen, innerhalb seiner Partei unter Druck geraten. Victoria Hamm konterte: „Wenn Bodo Afrikaner hier haben möchte, aber alle anderen nicht - ja, dann muss der Bodo halt zu den Afrikanern.“

Die Partei war erst im April diesen Jahres als Protestbewegung gegen die nach Ansicht der Initiatoren übertriebenen Corona-Maßnahmen gegründet worden. Die Initiatoren bezeichnen ihre Bewegung als politische „Mitmach-Partei“ und visieren eine Kandidatur für die Bundestagswahl 2021 an.

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Wie die Parteienrechtlerin Sophie Schöneberger dem ZDF sagte, erfülle die Bewegung nicht die juristischen Anforderungen an eine politische Partei. Grund dafür seien neben dem Fehlen eines eigenen Parteiprogramms die Finanzierung über anonyme Spenden. Diese seien - bis auf wenige Ausnahmen - im Parteiengesetz verboten, da keine Rechenschaft über die Finanzierung abgelegt werden könne.

Mitgliederzahlen sollen gefälscht worden sein

Auch die von „Widerstand 2020“ angegebene Mitgliedszahl von über 100.000 sorgte für Irritationen. Die Partei hätte somit mehr Mitglieder als Linkspartei, AfD und FDP. Die Hackergruppierung „Anonymous Deutschland“ behauptete auf Twitter, dass mit Hilfe einer Software automatisiert tausende Mitglieder pro Stunde generiert wurden. 95 Prozent der Mitglieder sollen auf diese Weise gefälscht worden sein.

Wie T-Online berichtete, soll ein AfD-Politiker sogar seinen Hahn „Blacky“ unter der Mitgliedsnummer 82.400 angemeldet haben. Die Führung von „Widerstand 2020“ gab den Vorwürfen in Teilen recht. Allerdings seien lediglich zehn Prozent der Mitglieder künstlich generiert worden. Die Angaben von Anonymous Deutschland seien fingiert und sollen der Bewegung schaden. Man prüfe weiterhin die einzelnen Registrierungen auf ihre Echtheit, hieß es. In einer Videobotschaft räumte Schiffmann aber zuvor ein, dass man zurzeit lediglich von „irgendwas zwischen 30 bis 50“ verifizierten Mitgliedern ausgehen könne.

Die rechtsradikale „Identitäre Bewegung“ empfahl ein „temporäres Zweckbündnis“

Die Bewegung stand früh in der Kritik, mit verschwörungsideologischen Thesen zu argumentieren. So wurden auf dem Telegram-Kanal der Bewegung von großen Teilen der Anhängerschaft Informationen verbreitet, die unter anderem Bill Gates vorwarfen, die WHO zu korrumpieren oder für die Entführung von tausenden Kleinkindern verantwortlich zu sein. Auch die rechtsradikale „Identitäre Bewegung“ (IB) flirtete laut T-Online mit Widerstand 2020. Martin Sellner, Kopf der IB, empfahl sogar ein „temporäres Zweckbündnis“.

Der in Steglitz-Zehlendorf ansässige Arzt Fernando Dimeo, laut eigener Bezeichnung „Bezirksleiter“, sagte dem RND: „Wir greifen auf esoterisches und spirituelles Vokabular zurück, aber wir stehen voll im Leben.“ Und in Sachsen machten sich ehemalige Mitglieder von AfD und Republikaner auf, ein 44 Punkte langes Programm anzustoßen. Einer der Forderungen lautet unter anderem: „30 Jahre nach der Wende sind Verwaltungsleute, Richter und Journalisten aus dem Westen wieder geregelt in ihre Heimatländer zurückzuführen, so es die Personaldecke zulässt.“

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