Referendum über Ukraine-Vertrag: Nein der Niederländer ist Niederlage für Europa
Die Gewinner des Referendums über den Ukraine-Vertrag sind die Rechtspopulisten in der EU und die Kreml-Elite. Für die Ukraine und Europa ist das ein Rückschlag. Ein Kommentar.
Demokratiebildung, die nicht stattfindet, macht geistig träge und schafft Lücken für Ideologismen vielfältigster Couleur zu Lasten einer gelebten Demokratie. Die Legitimationsmuster der meisten unserer Demokratien im europäischen Staatenbund sind leider zu Ritualen erstarrt, deren Sinnstiftung entfallen ist und immer weniger verstanden werden.
schreibt NutzerIn cuibono
Manchmal ist dieses Europa zum Verzweifeln. Die Niederländer haben gegen ein Abkommen gestimmt, das die Zusammenarbeit der EU mit der Ukraine vertiefen soll. Um die Ukraine ging es ihnen dabei nicht, sondern um eine Abrechnung mit der Europäischen Union als Ganzes. Sie zielten auf Brüssel und trafen ein Land, das all seine Hoffnungen in die europäische Idee gesetzt hat.
Denn für den Vertrag, den die Niederländer jetzt beiseite fegen wollen, sind im November 2013 in Kiew junge Ukrainer auf die Straße gegangen. Der damalige Präsident Viktor Janukowitsch wollte das Abkommen nicht unterzeichnen. Das war der Anlass für die Proteste auf dem Maidan. Den Demonstranten ging es um eine Annäherung an ein Europa, das sie als Wertegemeinschaft schätzten und als Gegenmodell zum autoritären und korrupten Regime in Kiew verstanden. Für diese Idee von Europa sind auf dem Maidan Menschen gestorben.
Gefährliche Gleichgültigkeit
Die Demonstranten von damals müssen sich nun mit der bitteren Realität abfinden, dass das alles dem alten Europa egal ist. Denn die Europäische Union hat so viel mit sich selbst zu tun, dass ihre Bürger sich offenbar nicht noch mit den Anliegen der Nachbarn befassen wollen. Und damit nicht genug: In der EU hat sich eine gefährliche Gleichgültigkeit gegenüber den Werten breit gemacht, die für dieses Europa einmal konstitutiv gewesen sind.
Tatsächlich ging es in der Abstimmung nicht allein darum, ob die EU mit der Ukraine enger zusammenarbeiten soll. Dahinter steht die Frage, welches Europa wir wollen. Die Rechtspopulisten um Geert Wilders haben das früh erkannt und aus dem Referendum ein Votum über die "europäische Elite" gemacht. Sie nutzten es als Abrechnung, in der es vordergründig um ein als zu bürokratisch und mächtig empfundenes "Brüssel" und hintergründig um die EU als Wertegemeinschaft ging. Denn das demokratische, offene, liberale Europa lehnen die Rechtspopulisten ab. Das Ergebnis feiert Wilders nun als Anfang vom Ende der EU. So ist es nur folgerichtig, dass britische Rechte das Referendum als Testfall für das Brexit-Votum betrachten.
Erfolg von Moskaus Propaganda
Ein großer Erfolg ist das Ergebnis auch für Russlands Präsident Wladimir Putin, der seit vielen Jahren die Strategie verfolgt, die europäische Geschlossenheit aufzubrechen. Das Abkommen zwischen der EU und der Ukraine lehnt Moskau ab, gerade weil dahinter Kiews Bekenntnis zu europäischen Werten steht. In den vergangenen Wochen war in westlichen Hauptstädten viel von russischer Propaganda die Rede. Deren Ergebnis lässt sich jetzt in den Niederlanden besichtigen – ausgerechnet in dem Land, das nach der Ukraine in dem von Russland verursachten Krieg im Donbass die meisten zivilen Opfer zu beklagen hat. Beim Abschuss des Flugzeugs MH17 waren 192 Niederländer getötet worden, die Rakete hatten wohl russische Soldaten abgefeuert. Wer das aus diplomatischer Zurückhaltung nicht anspricht, spielt Moskaus Propaganda direkt in die Hände.
Die Gewinner des niederländischen Referendums sind die Rechtspopulisten in der gesamten EU und die Kreml-Elite. Die Verlierer sind die Ukraine – und Europa. Das Votum macht deutlich, dass es sich für den Kreml lohnt, auf die Rechten in Europa zu setzen, um es von innen zu zerstören. Wladimir Putin und Geert Wilders eint, dass sie die EU und vor allem die Werte ablehnen, die diese Gemeinschaft ausmachen. Wenn die Bürger Europas nicht endlich aus ihrer Gleichgültigkeit aufwachen, wird von der europäischen Idee bald nicht mehr viel übrig sein.