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Markus Söder (l) und Horst Seehofer
© dpa/Sven Hoppe

CSU-Rekordtief vor Bayernwahl: Nein, Berlin ist nicht schuld

Markus Söder lästert über "Berliner Verhältnisse" - und übersieht, dass diese von CSU-Chef Horst Seehofer verursacht werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Mit der CSU und mit Bayern ist es so: Wenn es beiden gut geht und die Meinungsumfragen dem Ansehen der Christsozialen bei den Wählern erfreuliche Werte bescheinigen, dann liegt es an der bayerischen Politik, und die ist nun mal identisch mit der CSU. Wenn es aber abwärtsgeht mit den Prognosen für die ans Regieren gewohnte Beinahe-Staatspartei, liegt das an Berlin. Jetzt ist es mal wieder so weit.

Das Meinungsforschungsinstitut infratest-Dimap sieht die CSU bei den Landtagswahlen am Sonntag in einer Woche bei gerade einmal 33 Prozent. Das sind glatte 14,7 Punkte weniger als vor fünf Jahren. Leider (aus Sicht der Landesregierung) ist auch die Forschungsgruppe Wahlen, die für den Tagesspiegel und das ZDF die Werte erhebt, ähnlich skeptisch. Sie gibt der CSU 34 Prozent. Da beide Institute übereinstimmend die SPD bei – aus Sicht der Sozialdemokraten – katastrophalen elf bis zwölf Prozent sehen, die Grünen übereinstimmend hingegen auf Platz zwei, mit 18 Prozent, liegt der Schluss nahe: Da ist etwas gekippt in Bayern.

Ministerpräsident Markus Söder hat keinen Zweifel, wer schuld ist an der Misere. Berlin. Wer sonst? „Das alles sind Zahlen, die unglaublich geprägt werden durch die Berliner Politik“, sagt er der „Bild“-Zeitung, und fügt dann noch drohend hinzu: „Ich will keine Berliner Verhältnisse im Bayerischen Landtag.“

Nur übersieht Markus Söder, dass diese Berliner Verhältnisse in der Bundespolitik von einem einzigen Politiker verursacht werden, und der ist auch noch CSU-Vorsitzender. Es gab in der Berliner Koalition aus CDU, CSU und SPD in den vergangenen Monaten keine Krise, die nicht durch Innenminister Horst Seehofer ausgelöst oder deren Lösung nicht durch ihn verzögert und behindert wurde. Gleich, ob es um einen Asylkompromiss ging, der für die CSU nichts verbesserte, oder die peinliche Beförderung des abgelösten Verfassungsschutzchefs zum Besserverdiener: Überall ist Seehofers Handschrift erkennbar.

Man muss der Landesregierung ordentliche Arbeit bescheinigen

Die bayerischen Wähler realisieren durchaus – anders als ihr Ministerpräsident –, wo der Bartel den Most verplempert hat. Bei ihnen ist das Ansehen des Immer-noch-CSU-Vorsitzenden Seehofer auf tiefste Werte abgerutscht. Zwar ist auch Söders Renommee im Vergleich zu dem früheren bayerischen Ministerpräsidenten wenig herausragend. Aber bei nüchterner Bewertung muss man der Landesregierung eine ordentliche Arbeit bescheinigen.

Zwar versagt sie bei der Lösung der Wohnungsmisere – die Mietpreisentwicklung erfreut nur Spekulanten –, aber die bayerische Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenquote ist die niedrigste in Deutschland und auch Markus Söders Raumfahrtstrategie mit geplanten 700-Millionen-Investitionen ist keineswegs so lächerlich, wie sie von der politischen Konkurrenz gemacht wird. Genau mit solchen Impulsen hat Franz Josef Strauß einst den Agrarstaat Bayern zum blühenden Industriestandort wachsen lassen. Und dass die bayerische Verwaltung wie eine gut geölte Maschine arbeitet, das weiß jeder, der mit ihr schon zu tun hatte.

Eine schwarz-grüne Landesregierung nach dem 14. Oktober erscheint also nicht ausgeschlossen. Fast die Hälfte der Wähler findet eine solche Koalition richtig gut. Die Ära des Parteivorsitzenden Horst Seehofer wird sich im Zuge dessen auch bald erledigt haben. Vielleicht kehrt dann sogar in Berlin wieder Frieden ein.

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